10. Dezember 2007

Kalb und Löwe weiden zusammen,
ein kleiner Knabe kann sie hüten.
... Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist.

Die Lesung am zweiten Adventssonntag, sie klang schön wie ein Traum, ein uralter Traum, alt wie das Paradies. Die Erkenntnis des Herrn genügte Jesaja, um die Erde mit Frieden zu erfüllen, durch und durch, wie das sonst nur Wasser kann. Heute, da »erkennen« wir nicht den Herrn; wir denken an die Nahrungskette und fragen uns: Wie soll das gehen? Ist der Löwe zum Vegetarier geworden? Und führt das nicht zur Überweidung?



Geben wir uns ein paar schöne Sätze lang dem Träumen hin, den Paradiesesträumen, denn dieses Paradies liegt im alten Testament und zugleich weit in der Zukunft. Hört man die Zeilen nicht nur als Adventlesung, sondern liest weiter bei Jesaja (oder weiter vorn), so bleiben sie eine seltene Hoffnung für wenige, umgeben von Zorn, und wenn es ein göttlicher ist. Gleich werden die Völker Israels die Völker des Ostens plündern und Besitz ergreifen von Edorn und Moab, die Ammoniter werden ihnen gehorchen müssen. Das ist keine liebliche Welt in der Bibel, schon gar nicht eine einfache. Sie lässt uns nur hoffen, manchmal, auf einen Wurzeltrieb. Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht.

9. Dezember 2007

Googlebar für Firefox 3.0 (die Beta-Version)




[Stichwörter Googlebar for Firefox 3.0 Beta, Googlebar für Firefox 3 Beta, Googlebar Firefox not compatible nicht kompatibel]
1. https://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/33 holen und mit der rechten Maustaste »Ziel speichern unter ...« irgendwo abspeichern.
2. Die heruntergeladene Datei googlebar-0.9.15.11-fx+ns.xpi (182 kByte) umbenennen in zum Beispiel googlebar.zip (wichtig ist das .zip!)
3. Googelbar.zip öffnen. Wird mit Winzip geöffnet. Dort befindet sich u. a. eine Datei install.rdf.
4. Install.rdf öffnen, mit Wordpad oder Editor, und unter

‹!-- Firefox --›

......‹em:targetApplication›

............‹Description›

..................‹em:id›{ec8030f7-c20a-464f-9b0e-13a3a9e97384}‹/em:id›

..................‹em:minVersion›1.0‹/em:minVersion›

..................‹em:maxVersion›3.0b2‹/em:maxVersion›

wie hier bereits gemacht em:maxVersion auf 3.0b2 setzen (oder die jeweils installierte Version, zu sehen im Firefox unter »Hilfe«, »Über Mozilla Firefox«). Änderung speichern (geht beim Schließen von Winzip).
5. Googlebar.zip rückbennen in Googelbar.xpi
6. Googlebar.xpi öffnen, mit Firefox. Das Add-On wird installiert und steht ab dem nächsten Firefox-Start zur Verfügung.
Achtung!
Das ist nur ein Patch, damit die Kompatibilitätsprüfung den Add-On freigibt statt nur schreibt: »Nicht kompatibel mit Firefox 3.0b1«. Ob es tatsächlich kompatibel ist, bleibt dahingestellt. Niemand – schon gar nicht ich – wird also garantieren, dass das Installieren keine negativen Folgen hat.
Variante: Es soll auch gehen, wenn man die install.rdf eines bereits früher unter einer älteren Firefox-Version genutzten Add-Ons im Ordner
C:\Programme\Mozilla Firefox\extensions\{3112ca9c-de6d-4884-a869-9855de68056c}\

(ebenfalls beispielsweise mit den Editor) entsprechend ändert. Der {Ausdruck} bezeichnet die jeweilige Erweiterung (Extension, Add-On), um was es sich handelt, erkennt man meist aus der .rdf. Ist mir so nicht gelungen. Fritz@Joern.De 9.12.7

7. Dezember 2007

Nicht wirklich. Der Ausdruck ist Mode geworden wie Technologie für Technik. Nur, dass man Letztere nicht total streichen kann. Bei nicht wirklich sollte man das tun. Raus damit! Sogar bloßes wirklich erscheint mir überflussig, und wird trotzdem vom modischen nicht wirklich mit hochgezogen zu beschämender Häufigkeit. Wirklich? Ja, ist denn sonst alles nur gelogen, was man so schreibt und liest? Außer es wird immer mal wieder wirklich eingestreut. Dann stimmt es wirklich, sonst ist’s nicht wirklich, Märchen. Wir leben ja in einem Zeitalter der Phantasy, von Harry Potter über Esoterik und Steinheilung bis zum Weltklimagipfel (über 10.000 Teilnehmer, alle nach Bali). Dank Computern ist das meiste virtuell, also: nicht wirklich. Man nehme diese Irrationalitäten und Extra-Realitäten und fasse sie zusammen; wie? – in den zwei Worten: nicht wirklich. Genug. Ich hab’s ja gar nicht so, pardon, nicht wirklich so gemeint. Wirklich nicht.

29. Oktober 2007

Konformitätsdruck oder Fahnen im Wandel der Zeit. Wir hatten hier die »Oxfordwoche«. Eine Woche lang, vom 24. bis 28. Oktober, sollte die Städtepartnerschaft Bonn—Oxford gefeiert werden. Und weil Straßenfeste samt rotem Teppich kommerziell die lange vernachlässigte Friedrichstraße in der Innenstadt Bonns so schön gefördert hatten (s. Generalanzeiger-Bericht), sollte auch diesmal gehörig gefeiert werden. Dazu hatte man sich ausgedacht, die Straße insgesamt mehr als zwei Wochen lang mit Flaggen zu schmücken, so eine Art vorgezogene Adventszeit, wo Plastiktannenreisiggirlanden und sparsame Glühbirnen angesagt sind. (Hier ein Bild von heute vormittag.)

Also klingelte eines Tages ein junger Geschäftsmann bei mir an der Tür. Er trug zwei Deutschlandfahnen bei sich, liebevoll zurechtgemacht zum Beflaggen des Hauses. Ich habe ein bisschen herumgedruckst, sei Österreicher, und überhaupt hätte ja Bonn-Oxford nicht direkt etwas mit Deutschland-Großbritannien zu tun.

Draußen wurden erst einmal die fehlenden Querseile über die Straße nachgespannt, die wir wegen den neuen, elegant im Weg stehenden Straßenlampen nicht vermisst hatten. Doch auch an den Laternen wurde wieder herumgearbeitet, wieder Hubwagen, Materialwagen, zwei Mann fast einen Tag lang, Bonn-amtlich, wie gehabt. Dann spannte ein privater Wagen mit Hebebühne Flaggen quer über die Straße, abwechselnd deutsch und britisch. Nur ich hatte mir Zeit gelassen mit dem Beflaggen. Fast wäre es darüber zum Streit gekommen mit dem Haus- und Ladenbesitzer (zugleich Vorsitzendem der »Immobilien- und Standortgemeinschaft Friedrichstraße«) . Wir einigten uns dann auf eine Flagge an einem Tag ... Ja, inzwischen sind Fahnen zu reinen Dekorationsartikeln verkommen, und das ist eigentlich ganz gut so!

Hier noch der Text des abgebildeten Briefes: Der Oberbürgermeister von Andernach-Land als Ortspolizeibehörde Abt. III – Andernach, den 21. April 1941 – An [handschriftlich:] Herrn Johann ... [den Familienamen habe ich weggelassen – fj] in [...], [...]str. – Wie festgestellt wurde, haben Sie am Geburtstage des Führers, einem hohen nationalen Feiertage, Ihr Haus nicht beflaggt. Dieses Verhalten ist eines deutschen Mannes oder einer deutschen Familie nicht nur nicht würdig, sondern stellt eine Mißachtung der Person unseres Führers dar. Ich will diesmal davon absehen, es zum Anlass für Weiterungen gegen Sie zu nehmen, erwarte aber von Ihnen, dass Sie in zukünftigen Fällen, in denen eine Beflaggung vorgeschrieben ist, diese pünktlich vornehmen werden. Dadurch können Sie unangenehme Folgen von sich abwenden. – Ich kann nicht annehmen, dass Sie nicht im Besitze einer Hakenkreuzfahne sein sollten, da Ihnen zu deren Anschaffung eine Reihe von Jahren zur Verfügung stand. – Möge Ihnen dieser Hinweis für die Folge als Warnung dienen.
P.S. Die Fahnen wurden am 12. November abgenommen, nach vier Wochen. Man hatte vergeblich gehofft, gleichzeitig die Adventsdekoration montieren zu können.

22. Oktober 2007

Beten für Ungläubige?

Gestern, am Sonntag, ging es um das Beten. Das Evangelium: »In jener Zeit sagte Jesus zu seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten: In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Feind! Lange wollte er nichts davon wissen. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; trotzdem will ich dieser Witwe zu ihrem Recht verhelfen, denn sie lässt mich nicht in Ruhe. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht. Und der Herr fügte hinzu: Bedenkt, was der ungerechte Richter sagt. Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde (noch) Glauben vorfinden?« (Lk 18,1-8)

Pfarrer Becker bemühte sich redlich, den Gläubigen die Segnungen des Gebets
nahezubringen. Ich dachte bei mir: So gläubig sind wir hier doch auch nicht – und hätte mir Argumente für Nicht- oder Schwachgläubige gewünscht. Auch für die gibt es gute Gründe, zu beten, und mehr als bloß die Einstellung: »Schaden kann es nicht ...«

19. Oktober 2007

Bewertung ex post? Andreas Petzold, Stern-Chefredakteur, schreibt in seinem Leitartikel »Eva Herman und die Frage: Wie ahnungslos darf man sein?« im Stern 43/2007 vom 18. Oktober 2007:

»Es gibt offenbar Zeitgenossen, die so denken, wie es Eva Herman nachgesagt wird. Diese Zeitgenossen übersehen, dass sich das ›Dritte Reich‹ nur vom Ende her gesehen bewerten lässt …«

Jeder vierte Deutsche hatte dem Stern zufolge in einer Umfrage angegeben, der Nationalsozialismus habe auch gute Seiten aufzuweisen.

Ich will mich nicht an der eher despektierlichen Benennung dieser Mitbürger als »Zeitgenossen« stoßen. Ich meine auch nicht, alle »Errungenschaften« vor dem Krieg seien allein vom Nationalsozialismus zu verantworten. Wie stets wird da Politik überschätzt – was dann zu billigen Verallgemeinerungen führt: Die Nazis waren an allem schuld, und: Alles, was da passierte, war nazistisch.

Kann man eine Sache bloß von ihrem Ende her beurteilen? Ist das nicht sehr eingeschränkt? Gedanklich gefährlich? Polemisch gesagt: Wäre das Dritte Reich nicht untergegangen, wäre es dann besser gewesen? Die bürgerliche Einstellung zur Frau, war sie wirklich nur von der Politik bestimmt? Jemals? Um eine höhere Kinderzahl bemühen sich nun einmal alle modernen westlichen Staaten. Sind die verschiedenen Versuche nur aus dem jeweiligen politischen Menschenbild heraus zu sehen? Für einen bloß politischen Menschen vielleicht, der alle Mittel bloß von ihrem Zweck her beurteilt. Der Zweck heiligt die Mittel, und scheinbar nur der Zweck.

Wer allerdings ein etwas weiteres Bild von Gut und Böse hat, vielleicht ein religiös geprägtes, ein »absolutes«, wer an »das Gute« glaubt, der muss zugeben, dass auch ein Böser Gutes tun kann. Oder? Sola fide? Dabei geht es um den Menschen und sein ewiges Heil, nicht um die Sache. Hängt – für eine Sache – alles nur von der Einstellung des Handelnden ab? Oder gibt es Gut und Böse auch unabhängig von Guten und Bösen? Ich meine: Richtig wissen werden wir das nie, erst nach dem Jüngsten Gericht, und das kann noch dauern. Vielleicht nicht einmal dann werden wir sachlich Klarheit haben, denn Gottvater beurteilt Leute, nicht Sachen. Trotz dem eher unglücklichen Biss in den Apfel des Baums der Erkenntnis sind wir immer noch nicht scientes bonum et malum ...

Doch zurück zum Stern. Wenn wir schon eine Zeit »bewerten« – was ich eher unbescheiden finde, wir sollten uns bemühen, eine Zeit zu verstehen – dann bitte nicht bloß von ihrem Ende her.

29. September 2007

Ein spätherbstliches Schülertreffen
Meine Fahrt mit Uwe nach München Ende September 2007

Bilder auf http://picasaweb.google.de/Fritz.Joern/HerbstferienInMNchen2007

Uwe, mein alter Schulfreund, der neun Jahre lang mit mir im selben Internat gelebt hat, der mit mir geteilt hat Tisch (»Bett« höchstens bei Karl-May-Lektüre) war am Sonntag, den 23. September 2007, mit dem Zug aus seinem heimatlichen Hamburg zu uns nach Bonn gekommen. Wir genossen einen schönen Abend beim Operá-Türken, mit Uwes in Recklinghausen studierenden Tochter und ihrem Freund. Der Herbst war noch spätsommerlich warm und schön, wir saßen draußen, unsere Tochter Carla (6) übte Radschlagen am Rasen. Übrigens: Schorsch, von uns der Dritte, den es neun Jahre im Internat gehalten hatte, sonst in München und Augsburg wohnhaft, steigt gerade in Tibet umher.

Am Montag dann, nachdem Gisela brav zur Arbeit gefahren war – wir danken dem Generationenvertrag – machten wir Rentner uns mit meinem über zehn Jahre alten Wagen (* 15. 7. 1997) auf nach München. Und weil wir erst gegen Abend dort eintreffen wollten, und weil das Wetter g’rad so schön war, und wir natürlich Carla dabei hatten, es sind Herbstferien, sind wir bei Nürnberg zum Playmobil-Land gefahren: »Playmobil-Funpark«, »heute für Senioren ab 60 Jahren Eintritt frei, für Carla 6 €«, hatte uns Gisela gemailt. Die Anlage ist fast so groß wie das Legoland bei Augsburg, wo wir im Juni gewesen waren (s. Blog), sehr modern, aber insbesonders für Erwachsene nicht so abwechslungsreich wie Lego – wo es allerdings für Normalsterbliche recht teuer ist. Wir hatten unseren »Fun«, in Burg und auf der Piratensee, die Uwe und Carla mit dem Floß erkundeten. Ein herrlicher Tag, und über allem fröhlicher Herbst. Der verließ uns den ganzen Tag nicht, in München bei Ankunft 27 Grad.

Schulfreund Herneid empfing uns in seinem neuen Haus in Grünwald. Ihm und dem Architekten Dominik Meyer, den ich schon einmal mit Birte am Gardasee kennengelernt hatte, großen Glückwunsch dazu! Des Architektenehepaars Zwillinge sind übrigens wohlauf, sagte Herneid.

Am Dienstag, 25. September 2007, kam der angesagte Regen. Der Herbst stürzte förmlich in einen grauslichen Frühwinter ab, bis unter zehn Grad. Das hat uns vom geplanten Wiesnbesuch aber nicht abgehalten. Außerdem war dort Dienstag »Familientag«, die Preise mancher Attraktionen ziviler – eine Maß gleich ein Liter Bier kostet € 7,85. Das Oktoberfest ist ja tagsüber ein ganz normales, wenn auch sehr ausgedehntes Volksfest, mit den klassischen Attraktionen für Kinder und Erwachsene, allerdings in Perfektion. Abends wird um halb elf geschlossen. Wir haben den Tag genossen – nachdem wir erst einmal mühsam hingekommen sind. Auto-Anfahrt Theresienwiese, nirgends Parkhinweise, dann Parken am Bahnhof im Türkenviertel (Hotel Goethe: Das O in Goethe mit türkischer Flagge!) und Regenwanderung zurück zur Wiesn. Carla mochte am liebsten Kettenkarussellfahren (österr.: »Kettenprater«), wir »Alten« gingen mit ihr dann aber in alle »alten« Jahrmarktattraktionen wie Kleben an rotierender Steilwand (selbst nicht mitgemacht) und den Motorradfahrern in der Tonne (»älteste Steilwandshow der Welt«), fuhren auf zwei Riesenrädern, einem kleinen und dem ganz großen, Carla aus dem Fernsehen bekannt. Der Blick über die regenverhangene Stadt war unspektakulär, die modernen Menschenschwenkanlagen allerdings schon. Wild, was sich die Leute antun! Carla durfte »Hau den Lukas« schlagen und wählte sich als Preis – meine Tochter! – einen kleinen roten Schraubenzieher aus.
In einem gemütlichen aber lauten Festzelt haben wir uns dann wieder aufgewärmt und spät zu Mittag gegessen. Unsere junge Bedienung, Barbara Starr, hatte zur Tracht die Haare so schön hochgezopft, dass ich sie fast gebeten hätte, Carla einen Zopf zu winden, oder besser noch, es mir beizubringen. Nachher verabschiedete sich Uwe, er wollte noch seinen Freund Klaus Rösch treffen. Carla und ich blieben noch ein wenig und ließen uns dann von einer Fahrradrikscha für fünfzehn Euro zum Parkhaus zurückradeln, gut abgeschirmt. Beim türkischen Obst-, Gemüse- und Alleshändler bekam Carla ihre Tomate geschenkt, ich kaufte einen Bollywood-Film für drei Euro (Devdas, scheinbar eine Fortsetzung von Hum Tumhare Hain Sanam – Ich gehöre dir, mein Schatz! – 151 Minuten lang). Bin neugierig.
Den Abend hatten wir bei Herneid »zur freien Verfügung«, denn weder Rosi noch er hatten Zeit für uns. Ich habe uns dann Nudeln gemacht, Uwe und Carla sind mit »Oskar« Gassi gegangen, Carla hat noch ein wenig gemalt, und zu Bett gegangen sind wir auch nicht zu spät.

Mittwoch, 16. September 2007, war unser Deutsches-Museums-Tag. Nach wieder einem gemütlichen Frühstück fuhren wir in die Rosenheimer Straße, dorthin, wo eigentlich unser dritter Neun-Jahres-Altmarquartsteiner wohnt. Gerade, als wir im Deutschen Museum waren, im Bergwerk, kam seine SMS, er sei eben glücklich in Lhasa angekommen, keine Selbstverständlichkeit unter den immer politischer werdenden Bedingungen allerorten. Im Deutschen Museum haben wir uns ebenfalls an die klassischen Sehenswürdigkeiten gehalten: Um elf den Glasbläser mit einer sehr interessanten Vorführung (das Grün im Glas kommt von Eiseneinschlüssen), einer fast werkzeuglosen Kunst, dann die Blitze um zwei – Uwe war da schon wieder bei einem anderen alten Freund – und um vier als Höhepunkt und stimmungsvoller Abschluss das Planetarium. Das mochte Carla am liebsten, aber auch das Schiff unten mit dem Kapitänsblick über den Hamburger Hafen. Zum neuen »Kinderreich« mit den Wasserspielen sind wir erst ganz am Ende gekommen. Das Deutsche Museum schließt um fünf, danach sind Carla und ich noch draußen im Flugsimulator »Schlitten im Eiskanal« gefahren.
Am Abend hatte Herneid Götz und seine Frau eingeladen. Sie sehen sich anscheinend öfters, was die Atmosphäre noch herzlicher machte, also sie es eh schon war. Carla durfte lang mit aufbleiben, hielt sich brav und wach, malte und bastelte schließlich bei uns am Boden auf der weißen Decke. Nachdem ich sie schlafen gebracht hatte, hat sich leider die Runde schon aufgelöst. Was uns Altmarquartsteiner nicht davon abhielt, noch ein, zwei Stünderl unter uns Alten zusammenzubleiben, zu philopsychologisieren, ein paar Schulfreunde durchzuhecheln und überhaupt. Übrigens: Wir sollen und unbedingt www.care-and-click.org ansehen!

Heute, am Donnerstag, den 27. September 2007, nach wie vor Regen mit gelegentlichen, frechen Aufhellungen, hatten Rosi und Herneid noch weniger Zeit. Trotzdem sahen wir ihn von halb bis Neun, kleines Frühstück, dann Packen, Gassi-Gehen mit »Oskar« – was Carla und Uwe so gerne machten – und ab gen Norden.
Nein. Wir hatten noch Freund Hansl (Huber) in Dußlingen angeläutet, und wollen nun auch noch den besuchen. Und weil Hansl sagte, er habe erst ab zwei Uhr Zeit, sind wir noch zu einer Besichtigung der Bavaria-Filmstudios gegangen. Jede Viertelstunde wird ein Trupp Touristen durchgeschleust. Das Programm hat sich in den Jahren wenig gewandelt. Man bekommt den Eindruck, die Zeit des deutschen Films sei schon etwas länger vorüber. Es werden immer noch »das Boot« und »die unendliche Geschichte« hochgehalten, als seien’s Goethe und Schiller. Carla durfte auf dem Drachen Fuchur vor blauem Hintergrund fliegen. Ein fast spaßiger Film mit uns, den Besuchern, hatte schon grün statt blau als Projektionshintergrund.
So, und jetzt fahren wir – oder stauen wir – Richtung Hansl.
Bei Hansl und seiner Frau Lore war es richtig nett. Sie hatten gerade zwei Enkel zu Besuch. Lore hatte schnell für uns einen Kuchen gebacken, Hansl zeigte uns seine Bilder, und Carla konnte draußen ein wenig baumklettern. Dann erzählte Hansl Uwe schnell seine Lebensgeschichte, was man halt so tut, wenn man sich ein paar Jahre lang nicht gesehen hat. Herzlich und schön.
Erst gegen sechs kamen wir wieder los, in immer stärkeren Regen auf der Fahrt nach Bonn. Gisela hat uns noch erwartet, obwohl es schon viertel vor elf geworden war, bis wir endlich ankamen. Dann musste ich noch weit umherfahren mit dem Auto, um einen Parkplatz zu suchen, auf dem von uns gemieteten hatte sich (wohl nach dem langen Regen ...) eine Doline gebildet. Ich gab das Gerücht aus, das vormals dort gestandene Gefängnis sei mit geheimen unterirdischen Folterkammern ausgestattet gewesen, die nun langsam einfielen.

Zu guter Letzt kam am Freitag, 28. September 2007, am Vormittag um zehn noch Henning zu Besuch; er hatte sich von der Hausbauerei für seine Tochter ein paar Stunden frei machen können. Es gab das traditionelle Jörnsche Frühstück für Herren mit Spiegelei. Uwe hatte Henning nicht mehr so genau in Erinnerung – wo er doch ein »Externer« gewesen war –, um so größer war die Freude und um so angeregter die Unterhaltung. Henning ist halt ein begnadeter Redner ...
Kurz vor drei ist Uwe dann wieder weggefahren, mit dem Zug zurück nach Hamburg.

Die Kilometer:
Mo
24. 9. 7 Bonn 203924 9.15
Mo
24. 9. 7 Grünwald 204512 18.40
Di
25. 9. 7 Hauptbahnhof 204524
Mi
26. 9. 7 Grünwald 204535
Mi
26. 9. 7 Gasteig 204545
Do
27. 9. 7 Grünwald 204554
Do
27. 9. 7 Dußlingen 204815 18.00
Do
27. 9. 7 Bonn 205222 22.45

22. September 2007

Wieder ein Konzert! Diesmal habe ich Tochter Carla nicht mitgenommen. Dafür habe ich mich ein bisschen hübsch gemacht. Es müssen ja nicht immer Standard-Jeans sein und ausgelatschte, teure Timberland-Schuhe (ein Kapitel für sich: Wie man so einen Schrott nur so gut verkaufen kann!). Also stilecht in grauer Hose, einfarbig blauem Hemd und passendem, leichtem Walkjanker (doch ohne Fliege) bog ich um zwanzig vor acht um die Ecke Friedrichstraße—Bonngasse und schritt mit anderen besser Betuchten hinein ins Beethovenhaus-Konzerthaus (»Kammermusiksaal«). Da tritt man in einem ganz normalen, allerdings neuen Stadthaus, direkt anschließend an Beethovens Geburtshaus, durch eine Drehtüre in einen kurzen Gang, der sich dann etwas erweitert mit Garderobe und zwei Verkaufstischen, der eine eine Art Kasse, der andere diesmal eine Ausstellung verschiedener CDs des Beaux-Arts-Trios, die sie auf Wunsch nach dem Konzert signieren würden. Familiär-gehoben. Ich müsste Thomas Mann sein, wenn ich’s beschreiben könnte. (Lange Sätze kann ich schon!) Von der freundlichen Kassenwärtin bekam ich nach hoffnungsfrohem Warten auf hoffentlich keine Spätkommenden wie am Vortag meine Pressekarte zugesteckt und fand diesmal in der Mitte des Auditoriums einen Platz.

Der Eindruck war ein ganz anderer als seitlich sitzend mit Carla. Nicht die Leute lenkten ab, höchstens das bewegte Spiel der Interpreten. Besonders der Gründer und Pianist Menahem Pressler sang so offensichtlich (natürlich tonlos) mit, dass manche einfach wegsehen mussten, um die Musik pur zu genießen. Wird es spannend – und das ist es ja beinahe in jedem Augenblick – so holt er Luft wie ein Karpfen, der eine heiße Kartoffel isst. Er wirkt alt, weiche Haut, dabei verschmitzt und höchst agil, zumal er fast zwei Kopf kleiner ist als der Violinist Daniel Hope, ein wahrer Hüne, noch dazu mit passender Beethoven-Mähne, vorne schütter, hinten wallend, rötlich. Er hat immer extra einen hohen, breiten Klavierstuhl unter sich (oben das Foto anklicken oder hier), er steht fast, und wiegt sich mit der Musik, schon damit ich ihn nicht immer nur hinter dem Mikrophonständer der Deutschen Welle zu sehen bekam. (Das Konzert soll am 3. Jänner 2008 um 21.05 Uhr vom Deutschlandfunk übertragen werden.) Die drei Herren sind, finde ich, publikumswirksam arrangiert, aber für sie wenig praktisch: Der Pianist im Hintergrund sieht seine Kollegen nur von hinten, höchstens schräg, und muss sich ganz nach rechts lehnen, um zu sehen, was der Violinist macht. Aber vermutlich könnten die Herren selbst im Stockdunkeln spielen.

Zuerst gab es Dvořáks Trio für Violine, Violoncello und Klavier e-Moll opus 90, das »Dumky-Trio« (übrigens alles gut erklärt im Programmheft von Ute Verwimp), nach der Pause Mark-Anthony Turnages »A Slow Pavane« für Klaviertrio und Beethovens »Erzherzog«-Trio in B-Dur opus 97, am Schluss als Zugaben Mendelssohns Scherzo aus seinem ersten Trio, einen »Diamanten«, wie Pressler sagte, und ganz zum Abschluss, Beethoven zu Ehren, »eine der schönsten Melodien«, das Adagio aus seinem Opus 11. Man kann sich vorstellen, wie gerührt das Trio sein Publikum entließ.

Ich hatte ja jahrelang keine Konzerte mehr gehört (höchstens Opern mit und für Carla). Meine »klassischen« Hörgewohnheiten gehen auf Berlin zu meinen Studentenzeiten zurück (1961—68), auf große Stücke in der Philharmonie – wir hatten dort sogar ein Karajan-Abonnement –, auf Bruckner, Brahms und Elgar, dirigiert von unter anderen Sir John Barbirolli (dem mit dem Daumen), auf Herbert von Karajan, dieser schon mit sehr pointierter Interpretation. So nahe, so intim fast wie gestern und vorgestern kenne ich Musik gar nicht. Dazu kommt, dass das Beaux-Arts-Trio (und vielleicht alle guten Interpreten heute?) Tempi und vor allem Dynamik der Stücke voll ausspielen. Ich hatte fortwährend Angst, ein leiser Ton am Klavier würde einmal nicht erklingen, die Taste ginge leer hinunter, so zart war zuweilen das Spiel Presslers. Wie weiß er nur – an einem fremden Steinway-Flügel – wann ein Ton gerade noch kommt? Ähnlich bei der Violine. Wie fein kann Spiel sein – oder haben wir die Töne nur im Geist gehört, im Kopf? Gewiss nicht. Dafür kennen wir Laien die Stücke doch zu wenig. Diese Spannung, die sich dann erst wieder in den schnellen, lauten Stellen furios entlädt, war fast nicht auszuhalten.

Dafür hatte ich diesmal im Hintergrund nicht noch mehr Leute anzugucken sondern die Rückwand des Saales. Man muss sich einen fast altmodisch nussholzgetäfelten Raum vorstellen, durch das steile Halbrund der Sitze so hoch wie breit, dunkelblaue Sitze, hellere Teppiche über die Treppenstufen, kein Podium, und als Bühnenabschluss zurückgesetzt ein Portal aus schwarzem Marmor mit seinen weißen Spuren. Stein spiegelt gut den Schall; die Leute vorne genießen ihn nicht nur, sie schlucken ihn auch: Die Akustik muss sehr gut sein. Was keiner hört, das ist der edle Duft von allerlei Parfüm, der im Saal liegt, frisch gepflegte Aufgeräumtheit.

Der Leser – so er mir bis hier gefolgt ist – merkt, dass ich die Freude, das Erlebnis dieses Abends weiter in die Länge ziehen wollte, und doch klappe ich jetzt im Interesse aller den Laptop zu. Es ist ein anderer Tag, eine andere Welt, und Klassik ein in der Ferne verklingender Hintergrund.

(Unten, von gestern, dem 21. 9. 7, mehr ...)

21. September 2007

Religion und Ramadan, Kunst und Kultur, ein altes Windows in neuen Schläuchen

Ramadan. Da traf ich gestern meinen marokkanischen Freund, Austräger von UPS-Paketen, auf der Straße. Er erzählte mir begeistert, wie er den Ramadan durchhält, obwohl seine Schicht schon um fünf Uhr früh beginnt. Ja, er sei nachgerade fitter als sonst. Dazu sollte man wissen, dass der unscheinbare Mann seine Arbeit stets im Laufschritt erledigt, fleißig, freundlich, zuvorkommend, zufrieden. Wie weit sind wir »Deutsche« davon entfernt. Mindestlöhne für die Post, und wenn es um unser »Bekenntnis« geht, so trauen wir uns nicht einmal, in der Kirche ein Knie zu beugen und ein ordentliches Kreuz zu schlagen. Dafür schwafelt Bischof Meisner von entarteter Kunst und anschließend davon, dass sich das Christentum »überall inkulturieren kann, wo Menschen zusammenleben« (siehe FAZ, »Wenn Gott nicht mehr in der Mitte steht«). Nicht einmal das Wort »inkulturieren« gibt es. (Im Bild Carla – Mitte – mit Freunden verkleidet gestern im Garten)

Beethoven. Beethovens Geburthaus und der zugehörige Konzertsaal sind doch bei uns gleich um die Ecke, sozusagen in W-Lan-Entfernung. Carla und ich kamen am Rückweg von der Zahnärztin dran vorbei. Die Deutsche Welle stand mit offenem Übertragungswagen davor und bereitete eine Aufnahme vor. Also Konzert! Ich wollte schon immer mit Carla einmal am Abend ins Beethovenhaus. Nach kleinen Diskussionen ließ uns Gisela auch gehen, heute, am Tag danach, ist letzter Schultag vor den Ferien, »Spieltag« (dabei Pflichtunterricht!), wie Carla berichtete. Also machten wir uns spontan auf, nicht besonders feingemacht, mit Carlas rotem Rucksack für Geld, ihr »Schnuffituch« (die Schlaf-Windel) und eine Flasche Wasser. Die Atmosphäre war familiär, Kenner unter sich. Wir haben gerade noch zwei der letzten Karten bekommen, sogar als »Presse«. Freundlichkeit überall. Der hörsaalähnliche, halbrunde »Kammermusiksaal« war voll besetzt, auf allen 199 Plätzen gespannte Erwartung. Die angekündigte Einführung fand nicht statt. Stattdessen Applaus für einen großen, alten Herren, der sich unten in der ersten Reihe niederließ. Es stellte sich heraus, dass zunächst das Liszt-Trio aus Weimar eine Auftragsarbeit des Beethovenfestes von Mauricio Kagel uraufführte, das Trio Nummer drei für Violine, Violoncello und Klavier. Mauricio Kagel war Ende vorigen Jahres 75 geworden, das wurde gefeiert. So erklärte sich auch der Applaus für den konzentriert lauschenden Herren in der ersten Reihe. Wir beide saßen ganz rechts außen in der zweiten Reihe, blickten in den offenen Flügel und später auf den Cellisten. Neben uns saß ein Franzose, bewunderte die Musik und Carla, die mucksmäuschenstill und (noch) wach zuhörte. Das Werk war gar nicht atonal, melodiös freilich auch wieder nicht, dafür aber sehr spannend, kontrast- und abwechslungsreich, gelegentlich fast mit einem Quentchen Humor, fand ich, und ich höre Musik gänzlich unvorbelastet, laien-, ja ganz und gar banausenhaft. Was in der geringen Entfernung zu den Musikern auffällt: Die ungeheure Konzentration, die Straffheit, Bewegung, das Temperament, mit denen vorgetragen wird. Selbst Carla fiel das lose Haar vom Bogen des Violinisten auf. Kurzes Zurücklehnen gibt es nicht, oder höchstens einmal, wenn ein Partner seinen Einsatz ein paar Takte früher hat. Selbst das Notenumblättern wird zum Stess; der Cellist hatte sie sich kunstvoll so zusammenkopiert und -geklebt, dass er ohne Umblättererer auskam. Am Flügel stand immer Hilfe bereit. Dann energischer Applaus, mehrere »Vorhänge«, wenn man das bei einer so familiären Atmosphäre sagen kann, Blumen, erleicherte Künstler und ein wohl noch erleichterter Komponist, und Pause. Das Klavier, das eine Menge erleiden hatte müssen, wurde nachgestimmt. Wir beide perambulierten verschämt zwischen der illustren Gesellschaft, Carla wurde mehrfach nach ihrem Alter gefragt, aufgeräumte Stimmung. Nach der Pause spielte das Beaux-Arts-Trio von Beethoven die »Variationen über Wenzel Müllers Lied ›Ich bin der Schneider Kakadu‹«, Opus 121a, und da war Carla noch fast die ganze Zeit wach. Der Schneider hatte es ihr angetan. Dass niemand auf der Welt besser spielt als die Herren wenige Meter vor uns, das war ihr gewiss nicht bewusst. Dann kam Schuberts Trio in Es-Dur D 929 Opus 100, schön, so schön, »zum Sterben schön« fand ich, bin aber am Leben geblieben und habe zwischendurch Carla ein wenig unterstützt, als sie dann doch gelegentlich einnickte. Schade, dass es bei Google keine Suche nach »Musik« gibt, einfach für die Melodie, um zeigen oder besser hören lassen zu können: »Das meine ich!«, nicht um ganze Stücke zu kaufen oder zu klauen. Hernach frenetischer Applaus, Blumen, und dann kündigte der alte, kleine Pianist zu Ehren Kagels und zur allgemeinen Freude eine Zugabe an: Schostakowitsch, ein Scherzo, »teuflisch« meine ich gehört zu haben. Jedenfalls war es ein aberwitziges Bravourstück. Dann sogar noch eine Zugabe, kürzer, kleiner, ein erster Satz aus – ja, richtig verstanden haben das die Leute leider nicht. Mauricio Kagel wird’s schon gekannt haben. Carla war wieder fest dabei beim Applaus. Begeistert und müde durfte sie ausnahmsweise bei uns im Bett schlafen und war heute früh ganz gut wach.
Die Geschichte von Carlas Klassikfreude sollte ich gelegentlich aufschreiben: Jim Knopf, Puppenspiele überhaupt, DVDs, speziell die Zauberflöte von den Salzburger Marionetten, aber auch die von den Augsburgern, später einmal die Salzburger Festung mit dem Puppenspielmuseum, dann aus Versehen eine falsche DVD mit einer Monumentalaufführung der Zauberflöte, schließlich einmal wirklich in Salzburg die zauberhaften Marionetten; am Anfang noch Smetana, Moldau, Verkaufte Braut; am Ende bei Hausaufgaben schwarze Schallplatten, die man umdrehen kann, Mozart unter einem Tonarm, auf dem ein Playmobil-Ritter reitet – als Gewicht, das Originalgewicht ging verloren.

Windows zum Schluss. Technik muss sein. Mein neuer Hewlett-Packard-PC ist gekommen. Ich habe ihn einfach aufgemacht, erst einmal die neue S-Ata-Platte an ihrer roten, schmalen Datenleitung abgeklemmt, damit mir Windows Vista nicht startet, und stattdessen meine alte IDE-Systemplatte samt breitem Verbindungskabel eingesteckt, und los gings. Das Betriebssystem habe ich schon wieder bei Microsoft registriert. Jetzt muss ich noch irgendwie den Rest zum Laufen kriegen, erst einmal vielleicht eine Internet-Verbindung – selbst das simple Lan-Kabel tut’s nicht, was mich wundert. Jedenfalls jede Menge »neue Hardware gefunden«. Sogar Outlook will neu registriert werden. Der Bildschirm lässt sich nicht wieder hochkant stellen. Mal sehen, ob ich durchkomme mit meinem alten Fenster in der neuen Hütte.

12. September 2007

Hilf Himmel! Mit der Kirche geht es bergab. Nicht nur die Schützenvereine klagen über mangelnden Nachwuchs, die Kirchen erst recht. Genaues weiß man nicht, denn das »Bekenntnis« wird öffentlich nicht bekannt, Zahlen sind meist Hochrechnungen, und die kosten was, siehe www.Remid.De. Selbst das statistische Bundesamt schätzt und hinkt hinterher. Egal.

Stiftskirche Bonn (Wikipedia)

Hier in Bonn wird die Gemeindebetreuung – ich nenne das einmal Seelsorge – konsequent in die Wohnbezirke verlagert. In der City versucht unser Stadtdechant (persönlicher PR nicht immer abgeneigt) durch schöne Veranstaltungen und Modernisierungen wie einen Kreditkarten-Opferstock und jetzt einem 3,7 Millionen Euro teuren gläsernen »Schaufenster der Kirche«*) Laufkundschaft anzuziehen. Wie gut das gelingt, weiß ich nicht. Familien wie wir, die in der Innenstadt leben, werden in die nördlich gelegene Stiftskirche verwiesen. Der letzte innerstädtische Kindergarten soll 2008 geschlossen werden, auch er zieht nach Norden. Der letzte katholische Kinderhort für Schulkinder ist bereits 2006 aufgegeben worden, angeblich, weil diese Aufgabe jetzt die Schulen selbst übernehmen (stimmt nicht, Nachmittagsbetreuung wird outgesourct). Die ansehnliche Stiftskirche ist zwar nicht weit weg, doch erfahrungsgemäß werden deutsche Städte im Süden »besser«, und im Norden, da sind sie armseliger, was wir eitle City-Gläubigen nicht goutieren. In der City selbst werden jahrhundertealte Klöster bescheidener »Minderbrüder« (Minoriten) geschlossen, Kirchen wenn möglich dem Land zurückgereicht zur allfälligen Nutzung (Namen-Jesu-Kirche in der Bonngasse, wo das Beethovenhaus ist).

Viele dieser Entscheidungen finde selbst ich richtig, auch wenn sie mir nicht passen. Bloß, dass man innerstädtische Kirchen nur für Leute ohne Kinder attraktiv machen soll, woher auch immer sie kommen, finde ich kurzsichtig. Selbst der innerstädtische Kinderspielplatz im Hofgarten ist hervorragend besucht, obwohl dort keine Kinder wohnen, und der Weihnachtsmarkt passiert natürlich im Zentrum am Münsterplatz. Warum also keine Kindergottesdienste im Zentrum? Vielleicht »edle« Kindergottesdienste? Doch gemach: Ich wage mich vor zu Vorschlägen. Dabei bin ich gewiss kein Experte, nicht einmal ein regelmäßiger Kirchgänger. Trotzdem hier die Gedanken eines katholischen Laien.

• Kirchliche Angebote sollten wenn, dann regelmäßig sein. Jeden zweiten Sonntag im Monat, nicht im Sommer (und nur nach Vollmond :–), das kann sich keiner merken. Die Qualität einer Messe hängt nicht von der Zahl der Besucher ab. Ich erinnere mich an stille Messen an Seitenaltären in der Franziskanerkirche in Salzburg, da war ich fast allein mit dem Zelebranten. Da wirkt Gott, nicht wir.

• Es dürfen ruhig weniger »Vollmessen« sein. Gottes Segen und die Kommunion kann auch ein Diakon spenden. Merke: Nicht »Ich segne dich im Namen des Vaters usw.«, also affirmativ, lautet der Segensspruch, leider, sondern etwas vager bloß: »Es segne dich ...« – was es dann dem lieben Gott überlässt, das zu tun oder zu lassen.

• Die Gemeindearbeit sollte sich mit Vorrang um den Nachwuchs kümmern. Das ist vielleicht nicht so spektakulär wie gut besetzte Kirchenkonzerte, langfristig aber segensreicher. Dazu sollte kindliche Begeisterung früh geweckt und genutzt werden. Hier werden Ministranten erst nach der Erstkommunion ausgebildet, und die Erstkommunionvorbereitung beginnt erst ab der dritten Schulklasse. Ich könnte mir vorstellen, dass die Kinder dann »andere Sorgen« haben, als Ministranten zu werden. Ich selbst bin – ein Kuriosum – im selben Matrosenanzug getauft (25. 11. 1948, noch 6-jährig), gefirmt und »erstkommuniont«, in Bozen. (Diese »Eventualtaufe« nach meiner »richtigen« evangelischen Taufe am 11. 2. 1942 ist eine typisch katholische Überheblichkeit, aber das ist eine andere Geschichte.)

• Das Bild unseres Gottes könnte klarer, strenger, direkter gepredigt werden. Ich erinnere mich an die Predigt eines eingeladenen Wanderpredigers (mein sel. Großvater war auch einer) in Parker, Colorado, der mit dem Zeigefinger durch die Reihen ging. Vielleicht kann einmal die Gemeinde gefragt werden, was sie zu einem Thema meint? Ob sie eine Lesung verstanden hat. Manche Texte sind wirklich nicht mehr zu verstehen, nicht mehr zeitgemäß. Desto wichtiger wäre es, die guten, zeitlosen, die schwierigen und kompromisslosen Texte aufzudröseln. »Gott liebt dich« – ich kann das schon nicht mehr hören – »er spricht mit dir, tröstet dich« usw. (Einzig dem polnischen Minoritenpater Richard Stefaniuk habe ich es abgenommen, dass er Christus unter uns wusste.) Besonders in den Kindergottesdiensten herrscht eher ein heidnischer Lichterglanzglaube vor, esoterisch fast, als das Bild eines Gottes, der klar ist und streng und schließlich, wenn wir ihn annehmen, auch liebevoll, ja. Verlangt er von uns, dass wir am Sonntag regelmäßig in die Kirche gehen? Verlangt er von uns, dass wir einigermaßen ordentlich vor ihn treten, wenn wir die Kommunion empfangen, oder ist es egal, wenn wir in schwerer Sünde und mit sattem Bauch am Altar stehen? Wenn die Kirche nichts verlangt von uns, dann wird sie auch nichts bekommen – jedenfalls keine einigermaßen verbindlichen Gläubigen. Fasten, das tun nur die gläubigen Muslime. Regelmäßig beten. – Oh, wie weit sind wir doch fern Gottes.

Die Beichte, auch die ist verloren gegangen. Man schämt sich, nicht seiner Sünden, sondern seines Bekenntnisses, was sogar dem Wortsinn widerspricht. Ich schreibe ja »Beichten« auch nicht auf den Einkaufszettel, bleibe da sozusagen »unter mir«. Konkret kann man in der uns für die Seelsorge zugewiesenen Stiftskirche nur beichten, ginge man am Sonntag zu den polnischen Priestern. Da habe ich vor Ostern lange Schlangen vor den Beichtstühlen gesehen.

• Und dann könnte man einmal die Gemeinde fragen, zum Beispiel, ob sie die Messe lieber »tridentinisch« hätte, also lateinisch, wie früher, wo das doch jetzt der Papst allgemein erlaubt hat. (Siehe auch www.Joern.De/zuGott.htm)

So, nun aber genug der Anregungen eines Suchenden, laienhaft und gottergeben. Er wird’s schon richten. (Und uns dann am Jüngsten Tag.)
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*) Von www.Kath-Bonn.De:
»Geschrieben von KKB online Team am 24.06.2007 um 10:18.
Die katholische Kirche in Bonn errichtet an der Münsterbasilika ein großes Zentrum für die Cityseelsorge. Das sogenannte Foyer am Münster solle zu einem ›Schaufenster der Kirche‹ werden. Es solle Rat suchenden Menschen als erste Anlaufstelle dienen, kündigte Stadtdechant Schumacher in Bonn an. Der Zülpicher Architekt Markus Ernst setze mit seiner Glas-Beton-Konstruktion einen wichtigen städtebaulichen Akzent in der Innenstadt. Gleichzeitig werden die ehemaligen Stiftsgebäude zu einem Pastoralem Zentrum der Stadtkirche ausgebaut. Dort finden alle Einrichtungen der Stadtkirche Platz. Die Bauarbeiten beginnen am Montag. Schumacher rechnet mit Baukosten von 3,7 Millionen Euro. Rund ein Drittel übernimmt die Gemeinde, zwei Drittel das Erzbistum Köln.«

26. August 2007

Sonntagsstimmung, früh, nach sieben. Gisela dreht sich im Bett wieder herum, Carla übernachtet bei einer Freundin. Da machte ich mich kurz vor acht auf in die Kirche. Mit dem Fahrrad geht das ja schnell. Die Gassen der Innenstadt sind leer, die Straßenplatten noch nass von der städtischen Reinigung. Ein Straßenkehrer kam mir laut pfeifend entgegen.

Zunächst radelte ich zum Bonner Münster, Hintereingang. Dort hatte ich in der Krypta eine Frühmesse in guter, aber alter Erinnerung. Das Gitter war verschlossen. Muss wohl erst um neun gewesen sein. Vorne, am Haupteingang wird gegraben, nach Wasserleitungen, auch da nichts. Direkt vom Münsterplatz – das ist der mit dem Beethovenstandbild – kommt man seitlich in die Kirche. Es stehen immer Bettler herum und machen einem die Tür auf. So früh war keiner da, ein schlechtes Zeichen für eine Messe. Allerdings gab es dort einen Plakatständer – weit und breit der einzige Anschlag beim Münster –, doch der warb nur für Orgelkonzerte. Also bin ich weiter zurück geradelt zur Remigiuskirche. Gleiches Bild: Gitter zu, Information keine. Der Tag ist schön, Gott überall. Ich fahre weiter zur Stiftskirche in der Altstadt im Norden. So schön ist die Stadt, wenn sie leer ist. Mit dem Rad hat man die richtige Perspektive, kann gegen alle Richtungen und über all die leerlaufenden roten Ampeln fahren. An der Stiftskirche zwei große Vitrinen mit vielerlei Anschlägen, darunter auch die »Gottesdienstordnung«, doch freilich nur für diese Pfarre. Dazu muss man wissen, dass die zweieinhalb katholischen Bonner Innenstadtkirchen (Münster, Sankt Remigius und die bereits halb entweihte Namen-Jesu-Kirche; die Stiftskirche gehört schon nicht mehr dazu) unter einem selbstgefälligen Stadtdechanten ein sogenanntes Citypastoral bilden, bei dem – siehe Plakatwerbung – Konzerte und sonst schön Erbauliches im Vordergrund stehen, während die eigentliche Seelsorge den entfernteren Pfarren überlassen wird. Eine gegenseitige Aufnahme in die Kirchenblättchen erfolgt traditionell nicht, das sprengte den schönen Rahmen.

Jedenfalls empfing mich die Stiftskirche an diesem frühen Sonntag mit offenen Türen, schon bereit für das Hochamt um halb elf. Die Sonder-Gesangbücher (Bretschneiders »unterwegs«) waren ausgelegt, das ewige Licht leuchtete, die Muttergottes nahm mein kurzes Gebet an, so hoffe ich. Dann suchte ich auch dort vergeblich nach der Innenstadt-Messinformation. Blätter und Broschüren liegen aus bis hin zur städtischen Tipps für Fußgänger im Straßenverkehr, doch wann es denn wo in Bonn Gottesdienste gibt, das sollte man rechtzeitig der Zeitung entnehmen oder im Internet über www.Kath-Bonn.De erforschen. Bei mir stürzen da gleich alle Browser ab (Alternative).

Was rege ich mich auf? Auch meine Frömmigkeit ist sporadisch geworden, landschaftsabhängig: In Südtirol fahre ich jeden Sonntag in die Kirche ins Dorf, zu Hause in Bonn gehe ich inzwischen nur mehr zu den Kindergottesdiensten mit Carla – und die finden nicht mehr statt. »Die beginnen dann erst im September«, meinte der zuständige Pfarrer nach dem ökumenischen Einschulungsgottesdienst, und sind dann erst nur alle vierzehn Tage und ganz gewiss nicht in der City. Ob Muslime auch so unfromm geworden sind?

Ich bin dann doch noch um halb elf zur Messe gegangen – die Familie fuhr mit Freunden nach Duisburg in den Zoo. Vielleicht achtzig Gläubige, eine gute, aktuelle Predigt zum heutigen Evangelium, allerdings nicht zum drängenden Problem des Strukturwandels im Himmel (den wir ja mit der Meinung, jeder käme in den Himmel, verdrängen) sondern zur neuesten »Kirchen«-Frage und zu den hier auf Erden Auserwählten, die sich gefälligst zusammenreißen sollen.

25. August 2007

Mit dem Rad war ich gerade schnell in Rom, in Florenz. Und jetzt sitze ich im Esszimmer, nach Mitternacht. Gisela baut ein Playmobilhaus zusammen, Nr. 3965, ist begeistert von deutscher Ingenieurskunst. Eigentlich ists ein Geburtstagsgeschenk der Großeltern an Carla. Hier der Stand um ein Uhr zehn.

Doch zurück zu mir und meinem Fahrrad. Ich hatte mich hinausgesetzt in den Garten – ’s ist ja wieder warm geworden –, Gisela hat derweil die Kinder gebadet und sie ins Bett gebracht (heute zwei: Alma ist zu Besuch, etwas nervös). Da hatte ich Zeit. Ich kopierte aus der »Sonntags-Zeitung fürs Deutsche Haus«, Heft 8, Seite 183, über die »Postbeförderung in alter und neuer Zeit« ein paar Zitate heraus. Der Witz ist, dass diese Sonntagszeitung von 1907 ist, hundert Jahre alt. Ein paar alte Ortsnamen (»Kiachta«) und Ausdrücke (»unterlegte Pferde«) musste ich im Web nachschlagen.

Danach kam ich irgendwie wieder auf mein altes Rennrad, und ob ich irgendwie die Originalfarbe, die sich vom heutigen aggressiveren Bianchi-Grün unterscheidet, herausfinden könnte. Je nun, da ich nun schon virtuell aufs Radl gestiegen war »landete« ich natürlich in Italien, fand ein noch älteres aus dem Jahr 1938:



noch mit dem Kettenspannungsausgleich in der Mitte und im Gegensatz zu meinem in gutem Zustand. Weiter radelte ich in Italien.

Neben dem Weg, immer noch im Web, hielt ich an bei einem Blog wohl einer Lehrerin, Pia. Zugegeben, ihr Layout und vor allem die Fotos springen zuerst ins Aug. Was die attraktiven Fotos mit der Dame zu tun haben, weiß ich nicht, sie selbst ists jedenfalls nicht.

Ich fing an zu lesen. Nun lese ich Italienisch, das ich so mittelgut kann, wie ein Gedicht: Ganz versteh ich’s nicht, aber es klingt wunderbar! (Nicht bös sein, Dichter!). Eine Fremdsprache hat etwas so herrlich Romantisches, wie eine fremde, zum ersten Mal gesehene Landschaft, empfohlen von Freunden und Baedeker. Man weiß, ist sicher, dass es da schön ist, sagen wir in Amalfi oder am Comer See. Assoziationen wie in der Muttersprache bleiben einem erspart, Enttäuschungen. Wie ein berühmtes Bild, so sind auch berühmte Orte garantiert schön (außer ’s regnet, à la Salzburger Schnürlregen, der nimmt selbst Salzburg den Charme). Mir geht es so mit Italienisch. Jedenfalls las ich mich ein in Pias Sprache, traf sie ein wenig in Florenz an im vorigen Jahr, in Rom jetzt, und sah, ›las‹ sie dann zurückkehren in ihre Klasse. Zu viel mehr hat es nicht gereicht. Stippvisite, wie so oft im Internet. Ein Blick halt, nur. Wie aus einem vorbeifahrenden Zug – oder eben vom Fahrrad beim Vorbeiradeln, was bekanntlich ein wenig mehr Zeit lässt zum Gucken (und Denken und Fühlen). Sätze, die man nur zu 83 Prozent versteht, die sind geheimnisvoll; und geheimnisvoll ist gefühlvoll; und gefühlvoll ist ganz schön.

Spät in der Nacht wurde Gisela fertig mit dem Haus.

Hier spielen die Kinder (Carla mit Freundin Alma) bereits damit, am Samstagmorgen, glücklich. Das dritte Kind ist auch dabei, noch glücklicher.

12. August 2007

»Thanatorium«

Nicht einmal Microsoft kennt ein »Thanatorium« und unterkringelt rot. Ein Sanatorium? Eine Baumschule? Das Ding kannte ich aus Amerika, nicht aber den neuen Namen. Drüben heißt es »Funeral Home«, das versteht jeder. In einem möglichst normal aussehenden Einfamilienhaus in einer Siedlung nahe beim Friedhof lässt sich ein Bestatter nieder. Unten ist ein kleines Büro, vielleicht ein Vorführraum für Urnen und Särge und sonstige post-mortale Ausstattungen, dann vor allem das Gedenkzimmer, möglicherweise auch mehrere. Vitrinen zeigen Totenmasken im Modell – sind eigentlich immer Modelle, nicht wahr? –, dazu Stein-, Holz- und Kerzenschmuck nach Geschmack. Im größten Zimmer steht erhöht der Sarg, offen zunächst, auf dass man »Abschied nehmen« kann, mit und ohne Digitalkamera. Ich erinnere mich: In Amerika war wie bei einer Saloon-Türe nur die obere Sarghälfte geöffnet. Kurz vor der Trauerfeier wird der Sarg geschlossen. Ab dann geht es präzise programmiert und würdevoll dem Grab entgegen, unter die Erde.

Nach dem Begräbnis meines Onkels Carl in Princeton 1982 habe ich so eine Bestattungsanstalt erst wieder gestern erlebt, am 10. August 2007. »Thanatorium« soll von Thanatos, Θανατος, kommen, dem Tod im Griechischen; jedenfalls ist der Begriff so frisch (und kommerziell so vorteilhaft), dass Google einen an erster Stelle direkt zum Lübecker Bestatter führt. Stimmung und Ablauf sind hier an deutsche Geschmäcker angepasst, sind wirklich perfekt, Respekt! Das läuft so professionell, dass ein landesübliches kirchliches Begräbnis im Vergleich zur Feier im Lübecker Thanatorium wie eine wenig geübte Laiendarstellung gewirkt hätte. Der Redner, Herr Kröger, hatte seine gut recherchierte und wohl vorbereitete Grabesrede in eine Handvoll gut genießbare Häppchen aufgeteilt. Dazwischen gab es Musik von CD oder der Empore, die Kinder durften sich zur Cellistin umdrehen. Herr Kröger und ein gedrucktes Programm, komplett mit Farbfoto des Verstorbenen, führten durch die Veranstaltung. Jeder bekam diskret eine rote Rose zugesteckt. Am Ende stand man auf, es durfte ein Vaterunser gebetet oder einfach still etwas gedacht werden. Selbst die sechs solemnen Sargträger erschienen wie aus der Requisitenkammer entliehen, würdig und alt und mit wallenden Bärten. Der Leichenwagen war, genau wie in Amerika, ein Amischlitten, zeitlos würdig-pompös halt. Ansonsten hielt sich der Pomp in Grenzen. Die Farben waren hell, die Toiletten direkt neben der Thanatoriumshalle, die Halle fast wie ein Wohnraum mit Teppichboden und weißer Balustrade. (Sogar ein Temporär- »Kolumbarium« steht zur Verfügung.) Das Haus selbst sah wie ein großes Fertighaus aus, umgeben von gekiesten Parkplätzen.

Als 1981 meine Tochter gestorben war, da hatten wir sie vor dem Begräbnis – ganz unbewusst nach alter Aussegnungs-Sitte – in ihrem eigenen Zimmer aufgebahrt. Unvollkommen. Und doch uns ein Anliegen.

Zurück zu gestern. Zum eigentlichen Anlass möchte ich hier schweigen. Genug sei gesagt damit, dass die Feier wirklich schön war.

Nur selbst habe ich mich dabei erwischt, wie hart mein Herz ist, wie alt. Wie ich das Sterben und den Tod als Kurzzeitereignis verdränge, eingetreten laut Sterbeurkunde »zwischen dem 05. August 2007 um 23 Uhr 00 Minuten und dem 06. August 2007 um 06 Uhr 30 Minuten«, wie ich mich jedenfalls hüte, immerfort über die aktuelle Ursache nachzugübeln. Da spüre ich eher Ärger als Trauer. Hader, Zorn fast, aber keine rechte Trauer. Ich bemühe mich, den Verstorbenen und die Seinen nicht zu beurteilen, schon gar nicht zu verurteilen; das bleibe dem lieben Gott vorbehalten. Sogar das »liebe« an Gott mag ich nicht mehr, sehe Gott ernst und ewig und entweder fern und klar oder nah und entsprechend nebulös. Wie in einer theologischen Unschärferelation. Als betrachte er unser menschliches Treiben gelassen, inzwischen vielleicht fast gelangweilt, und lässt es doch gut sein oder böse nach seinem Urteil – das er dann fällen wird zu seiner Zeit, spätestens am Jüngsten Tag. Solange sind bei Gott Gerichtsferien.

Den Verstorbenen selbst, von dem sich viele der Trauergäste umgeben fühlten, jedenfalls sagten sie das, konnte ich zwar in meiner Erinnerung ausmachen, nicht aber frei schwebend um uns, schon gar nicht im Lichte. Dieser Gedanke mag manche trösten, bis sie dann die irdische Wirklichkeit einholt: Der Mann ist nicht mehr da, der Mann, Papa, Sohn, Bruder, Schwager und Onkel, wie es in der Anzeige steht, der Freund, Geliebte, am oder im Weg Stehende. Trennung, Scheidung auf Lübecker Art.

4. August 2007

Freitag, 3. August 2007 – Abreise, lange Fahrt und glückliche Heimkehr

Am Freitag früh hat es geregnet, ganz ordentlich, so bis etwa um elf. Lange hält sich ja der Regen nicht im Sommer in Südtirol, das Wetter wechselt schneller als nördlich der Alpen. Die Ein-Megabyte-SD-Karte meines Photoapparats war schon am Vortag am Oberen Stall voll geworden (dabei bilde ich für gewöhnlich nur mit drei Megapixeln ab, mache aber manchmal bytefressende Filmchen und nutze bei unwiederbringlichen Fernaufnahmen meine vollen fünf Megapixel Auflösung aus).

Jetzt hieß es packen, nichts vergessen, für mich die Stromverbraucher, das Radio und das Telefon abstecken (Zählerstand 37803 kWh, Waschmaschine 2937,3 kWh), schon, damit nicht der Blitz hineinfährt, für Gisela Reisebrote schmieren und Gutes für Martina packen, Schlechtes in den Abfall räumen. Sie ließ mich noch schnell das Schlafzimmer »schnöcken«. Das Wort haben wir wohl selbst erfunden, denn der motorlose Rollen-»Staubsauger« heißt bei uns »Schöck-Schnöck«, da er von erfahrener Hand hin und her bewegt werden muss, dann so ein Geräusch macht und dabei wirklich erfolgreich Staub und Fusseln aufsammelt. Schön bescheiden halt.

Carla spielte unterdessen im Gang auf den versammelten Reisetaschen Eisenbahn, so lang war unser Gepäckzug.

Um zehn vor zwölf kamen wir los (Kilometer 2582 am Tacho), die Navigation prognostizierte blauäugig – das heißt ohne Kenntnis von Staus – eine Ankunft in Bonn um 19.43 Uhr. Die ausländischen Radiostationen informieren natürlich nicht über deutsche Staus, schon gar nicht digital-unsichtbar. Übrigens wollte uns die Navi über Bozen schicken statt übers Penser Joch, teurer, weiter und doch scheint’s ein wenig schneller. Doch schon nach wenigen Kilometern nördlich von Bundschen beim Fiechter sprang die Route um. Wir fahren eh lieber übers Joch, wenn das Wetter nicht ganz schlecht ist (und den Kindern nicht schlecht wird ...). Problemlos ging es bis Bayern, dann aber war »der Wurm drin«. Ein Unfall am Irschenberg. Ständig schwankende Prognosen, die um Stunden hin und her sprangen. Hinter München wurde Gisela, die fuhr, sogar ein Autobahnstück wieder zurück geschickt, als sich die Lage weiter verschlimmerte. Der Navigation fühlte man ihre Verzweiflung fast an. Wir kamen durch kleine Dörfer, an irgendwelchen Siedlungen vorbei, wurden fast Feldwege geführt, alles landschaftlich reizvoll (weniger für die Anrainer), zwischendurch Unwetter. Zuweilen wurden wir etwas anders geleitet als andere Autos, obwohl die Navigationen ja ihre selbst erzeugten Staus auf kleinen Umgehungsstraßen nicht kennen.

In Hilpoltstein haben wir dennoch Rast gemacht, Abendessen im gewohnten »Sindersdorfer Hof«. Carla durfte wieder auf ihren Baum klettern. Die Sonne ging unter. Dann folgte noch eine lange Fahrt mit gelegentlichen Verzögerungen bis auf Null, sozusagen Staus in nascendi, bis Mitternacht (Kilometer 3430 am Tacho). Das waren also (fast) neunhundert Kilometer in (über) zwölf Stunden.

Noch ein paar Gedankensplitter

So sieht T-Mobiles Navigation auf dem neuen Blackberry 8800 aus, wobei der eingebaute GPS-Empfänger (Satellitenempfänger zur Ortung) noch ein wenig unklar in die Software eingebunden ist. Ich wusste nie: Ist GPS nun an oder aus, wird es – etwa von Google Maps – softwaretechnisch berücksichtigt? Die erste Version von Google Maps stürzte immer wieder ab, eine neuere hat es dann geschafft. Nav4Aall, kostenlos zwar, ist mühsam zu bedienen. Ich habe es dann aufgegeben, es war mir zu mühsam, besonders im Vergleich zur exzellenten Navigation im Audi. Dazu kommt, dass Satellitennavigation in den Bergen wenig erhellend ist, was ich in einer Glosse weiter erklären werde. Übrigens frisst der neuen Blackberry sehr viel mehr Strom im Vergleich zu seinen Vorgängern – ob auch das am GPS liegt?

Technikhistorisches sollte man aufgreifen. Beispiele wären der lange Wasserstollen durch den Berg, den sie für die Wasserkraft in den fünfziger Jahren gebohrt haben – mit welcher Mühe, mit welcher Neigung? Wie wussten sie, welche Neigung nötig ist (außer beim abschließenden Druckstollen). Zweites Beispiel: Die Brennerbahn fuhr auf italienischer Seite mit Drehstrom, was je Geleise zwei Oberleitungen erforderte, siehe Ex-Voto-Bild aus dem genannten Bildband. Angeblich sollte die Lok bergab als Generator arbeiten. Wie ging das?

Beim alten »Dampfradio« der sel. Großeltern, einem Röhrenempfänger von Graetz (Super 171W) noch mit einem schönen grünen Magischen Auge zur Senderabstimmung, aber schon UKW, ist scheint’s die Anondenspannungs-Trockengleichrichter (B250 C75) defekt, jedenfalls wird sie sehr heiß, und das Radio geht nicht.

Zum Blog: Vielleicht sollte mein ganzes Südtirol-Tagebuch herauskopieren, löschen und in der richtigen Reihenfolge neu in den Blog stellen? Ich könnte vermutlich auch den reinen Text als knappe HTML-Datei bei mir auf der Homepage platzieren, die Fotos stehen eh auf http://picasaweb.google.com/Fritz.Joern/BlogABissl?authkey=S0qiCjGpbio und müssten sich referenzieren lassen. – So, ich hab das einmal probiert, siehe www.Joern.De/HofHerbst2007.htm, 110 kByte. Ist ein wenig mühsam, erfordert Konzentration und Geduld. Änderungen sind mühsam und müssen doppelt gemacht werden. Damit der Text nicht zu breit läuft und dann die Bilder öfters statt untereinander treppenartig nebeneinander stehen. Ob sich die Seite bei langsamen Zugängen erst nach dem Lesen der ganzen »Tabelle« öffnet, kann ich nicht beurteilen. Der ganze Vorspann lautet:
‹center‹›table border="0" width="300"›‹tr›‹td›‹i›Die Bilder sind klickbar. Dieses Tagebuch hier auf ‹a href="http://www.Joern.De/HofHerbst2007.htm"›www.Joern.De/HofHerbst2007.htm‹/a/› und kommentierbar auf dem Blog ‹a href="http://blogabissl.blogspot.com"›http://Blogabissl.Blogspot.com‹/a› – ‹a href="mailto:Fritz@Joern.De?subject=HofHerbst2007"›fj‹/a›, Homepage ‹a href="http://www.Joern.De/Fam.htm"›www.Joern.De‹/a›‹/i›‹BODY BGCOLOR="#FFFFFF" Link="#0F0FB5" VLINK="#e710cf" TEXT="#0f0fb5"›

– Ja, das war ein schöner, langer Urlaub, für mich wieder einmal die Rückkehr in eine andere Welt. Sie zeigt sich immer seltener, gerät immer mehr in Vergessenheit. Die Berge rufen nicht. Bäume sind nicht so aufregend wie Städte, Bergwanderwege sind mühsamer als Autobahnen, Heu machen ist schweißtreibender als Walken (was ich gerne zu Fleiß deutsch ausspreche, wie Walkjanker). Das Glücksgefühl, das sich nur nach eigener Mühe und Anstrengung einstellt, es wird immer öfter durch kaufbares Instant-Glück ersetzt. Man sucht Entspannung ohne vorherige Anspannung. Doch der Glücksgeschmack ist vom Original weit entfernt. Noch während wir heimfuhren, schickte Birte eine SMS vom Feldberg bei Frankfurt, den sie mit dem Rennradl erklommen hatte, samt genauer Höhenangaben. So soll’s sein. Carla wird’s auch noch lernen, vielleicht sogar mit Birtes Hilfe.

PS. Auf speziellen Wunsch habe ich im Juli 2010 aus diesen Blog-Einträgen vom Hof zahlreiche Bilder und Namen entfernt. Bei weiteren Wünschen bitte ich um Nachricht. Das Tagebuch ist in voller Blüte auf Anfrage zu sehen.

2. August 2007

Donnerstag, 2. August 2007 – ein langer letzter Tag am Hof

Nachdem es gestern Nacht mit all dem Internetten, dem Rechner, der neu hatte gestartet werden müssen, zwei Texten zum Überarbeiten und allerlei Sonstigem nicht hier her Gehörigen zwei Uhr früh geworden war, war ich heute für einen Tag ohne Großereignisse dankbar.

Gisela und Carla schliefen aus, ich fuhr nüchtern ins Dorf zu den Carabinieri. Am Weg traf ich unten an der Tanzbachbrücke eine kleine Jagdgruppe. Haselbrunn (Locher) Sepp, der nette Fernfahrer (auf Urlaub) hatte auf Brandtler einen Jährling geschossen, siehe Bild. Dazu Albert und – ebenfalls zufällig – der Dorfpolizist (Alberts Schwager) und der öffentliche Jagdverantwortliche – gewiss mit besserer, waidmännischerer Bezeichnung – und zugleich Bauamtszuständige auf Dienstfahrt. Ja, wegen der Brücke über den Osterbach, die neu gemacht wird, müsste ich den Bürgermeister persönlich ansprechen, der habe morgen Sprechstunde. Und wegen der Wasserleitung ist auch wieder jemand anderer zuständig – den wir ja schon einmal nach der Kirche in Tracht getroffen hatten. Mir blieb wirklich nichts zu tun, als zu den Carabinieri zu gehen. Sie hausen in einem normalen alten Wohnhaus in Sarnthein, nur der Zaun weist auf »militärisches Gebiet« hin. Man klingelt und wird eingelassen, sofern man von 8 bis 12.30 oder 13 bis 16 Uhr vorspricht. Ich bekam VIP-Treatment durch den Stationschef Berger, perfekt zweisprachig, der sofort seine Amtsgeschäfte liegen ließ, seinen »Kunden« vertröstete und mit mir im Hinterzimmer (simuliertes Wohnzimmer) einen Kaffee nahm. Er kennt mich von einer früheren Verlustanzeige, aber vor allem durch meine Internet-Einträge zum Sarntal. Wir sprachen über den Tod des sel. Dr. Springer, den er mit geborgen hatte, und so auch unseren Wald näher kennengelernt hatte. Dann half er bei meiner Fahrzeugpapiere-Verlustanzeige für den Traktor im Wald, die ausschließlich der Eigentümer machen kann. So wurde ich für kurze Zeit zum Generalerben des Traktors. Mein deutscher Personalausweis wurde eingegeben – die Formulare sind inzwischen europaweit gültig, jedenfalls theoretisch. Praktisch klappt so etwas nur ohne dasselbe und mit gutem Willen aller Beteiligten. Mein Geburtsort Brünn war nicht zu finden, Mähren, das ich frech als Land angegeben hatte, erst recht nicht. Also war Brünn eben in Deutschland, was für 1941 ja nicht ganz falsch ist. Während einer seiner rein italienischen Adlaten tippte, na ja, eher mit eineinhalb Fingern meinen deutschen Namen eingab (»Heinrich« ist so lang und ganz unitalienisch), konnte ich die Carabinieri-Heldenbilder an den Wänden bestaunen, bunt und mit viel roter Folklore oder klassisch schwarzweiß im Luis-Trenker-Verschnitt all’ Italiana. Ein Bild sah aus, als stamme es noch aus dem Abessinienkrieg. Die ganze Anzeige ist übrigens nötig, damit wir neue Fahrzeugpapiere bekommen können, und den Traktor nach vielen Jahren im Wald endlich legalisieren. Man bekommt dann verbilligten Kraftstoff und darf auf normalen Straßen fahren. Mal sehen, was weiter für Probleme auftauchen, bei meinem Oldtimer.

Nach getaner Amtstätigkeit ging ich ans Grab, eine Kerze anzünden. Leider negativ. Nicht nur, dass die billigen roten Kerzen nicht angingen und immer wieder verwehten, ich habe mir auch noch in einem Kreuz des Blechdeckels die halbe Daumenkuppe abgeschnitten. Danach bin ich erhobener Hand zur nahen Apotheke gegangen und habe mich bepflastern lassen. Das Grab blieb unbeleuchtet.

Zuhause gabs dann endlich ein schönes Frühstück draußen am Hof in der Sonne. Gisela hatte ihre Haare getönt, gepackt, und überhaupt einen gemütlichen Vormittag gehabt. Ich habe dann noch einen Schukostecker ans Schweißgerät montiert und so weiter und dann meine Damen zum Baden im Osterbach gefahren und mich selbst hinauf zur Schlägerung. Zum Thema Käfer könnte ich ja einmal ein Bild eines Stammes mit Käfer – außen blau – und ohne Käfer einblenden. Der Wertunterschied ist enorm – und der Käfer extrem schnell. Eine ähnliche Geschichte sind ja die Holzböcke im Haus. Auch das habe ich mir heute angesehen, im Keller. Vor allem neuere Hözer und Balken sind befallen.

Hernach habe ich noch Igor und Martina und einer Freundin von ihnen geholfen, am unteren Lehen Grummet zu rechen, in der Hitze des Tages. Gesund und schweißtreibend! Dann wieder Familie vom Bach abholen, Auto saugen, und wieder ein wenig ins Grummet – wobei wir Angst hatten, es könnte zu regnen anfangen. Der übliche Südwind hat dann aber Gott sei Dank den Regen verscheucht.

Am frühen Abend kamen noch Albert – er möchte auf der Ebenwies Sträucher und Bäume ausschneiden, »damit das Gras besser trocknet«. Vermutlich geht es um die Jagd, ist aber auch recht. Übrigens hatte der Schuss gestern am Raut, also vielleicht fünfzig Meter von unserem gemütlichen abendlichen Zusammensein entfernt, der Schuss hatte einem Jährling gegolten. Der alte Herr Eccel, 89, hatte allerdings danebengeschossen, was ihn dann nicht zuletzt selbst gefreut hat ... Ja, die jagdlichen Sentimente. Der Fietscher, ein netter Bauer aus dem Tal, etwa meines Alters, kam vorbei, machte einen Spaziergang. Michl Springer kam auch noch, übernahm die besagte Fahrzeugpapiereverlustanzeige – und freundlicherweise auch unseren Müll, der immer am Donnerstag unten an die Straße gestellt werden muss.

Gisela hat mit Carla noch Perlenketten gebastelt, Igor mir einen guten Durchforstungsvorschlag gemacht für etwa zwei Hektar Wald zwischen Spögler- und Italienerweg ganz am Anfang. Mit der Subvention und dem Holz für die Durchforster müsste es sich ausgehen. Jetzt zeigt Martina Gisela noch ihr Hochzeitsfotoalbum, inzwischen drinnen, weil es schon dunkel geworden ist. Die Mücken stechen (morgen soll Regen kommen), der Brunnen plätschert, die Grillen zirpen, ganz von weit hallt ein Flugzeug. Auch ich wills nun sein lassen. – Halb zehn: es gießt draußen. Was hatten die für ein Glück mit dem Grummet!
Dienstag, 31. Juli 2007 – *** Pichlberg oberhalb Reinswald

Ja, das war der schönste Tag, auf jeden Fall der überraschend schönste. Gisela war ganb begeistert. Wir kannten beide Reinswald – ein Dorf in einem sarner Seitental – nur von einem Ausflug zu den drei Mühlen, schön, aber nicht riesig aufregend. Am Dienstag ist es uns eindlich gelungen, mit der Kabinenbahn weit darüber hinauf zu kommen. Nach einem eiligen Besuch im Dorf zur Sparkasse und zum Einkaufen – die Sachen waren übrigens am Nachmittag dann im Kofferraum wie gebraten – kamen wir noch vor zwölf zur Talstation. (Beim Einparken, nachdem ich einmal ausnahmsweise auf Giselas Rat gefolgt hatte, Carla: »Jetzt hat der Papa auch endlich kapiert!«) Also ließen wir uns von 1570 auf 2460 Meter heben. Bei angenehm kühlen 17 Grad dort oben wanderten wir ziemlich eben über Wanderweg 11 zur »Gertrum«-Alm (2094 m), die wir immer Gertrud-Alm nannten. Carla erst etwas nölig, dann, dank der vielen Gebirgsbächlein, fröhlich und verspielt. Von dort oben war der Blick ganz einzigartig. Man sah gerade über den Ritten hinweg – ganz in der Ferne das Rittnerhorn (2260 m) – auf das Schlern- und Dolomitenpanorama. Mitten vor einem das Rittner Horn. Und auf der anderen Seite Ortler und Umgebung. Alles ist schön dort oben, der sorgfältig gerichtete Weg (Fritz behauptete immer, mit seinen Lärchenstangen aus der Forst-Durchforstung), die Steine (Glimmer, Gneis, Marmor, halt feinstes »Urgestein«), die Bächlein, die stereo rauschten (mit dem talunteren Kanal etwas zu leiser herunterbalanciert), die Latschen, und immer wieder der Blick. Wir waren begeistert. Dass sich Gisela eine riesen Blase gelaufen hat, spürte sie erst anderntags. In den Bildern ein Blick nach Osten und dann einer nach Westen.

Es soll dort oben zwei besonders klare und kalte Gebirgsseen geben (Plattensee und Getrumsee), sogar Murmeltiere. Das haben wir und fürs nächste Mal aufgespart. Auf der Getrum-Alm haben wir ganz gut gegessen, dann aber den Fehler gemacht, den scheinbar kürzesten Weg hinunter nach Reinswald zu unserem Auto zu nehmen, den Siebener, genau den Auto-Güterweg auf die Alm. Entsprechend langweilig und staubig war der »Hatscher«, und wenn uns Carla nicht mit fortwährendem Geplapper unterhalten hätte, so wärs langweilig gewesen. Danach müde noch ein Eis etc. im Café bei der Talstation, so ein typisch hässliches Skifahrer-Großlokal in Sommeröde mit unpassend kartenspielenden Bauern drin und Touristen draußen und eher schlechter Bedienung dazwischen. Noch ein Schlenker über die Carabinieri in Sarnthein, die freilich zu hatten, und heim auf den Hof.

Hier hatten wir Albert und Linda eingeladen. Gisela überbot sich wieder mit Ossobuco auf Reis mit in eigenem Kofferraum gewelktem Salat, zum Nachtisch Pfirsiche und Weintrauben gebleicht (Grappa). Ein langer, ein schöner, der schönste Tag. Zum Abschluss haben wir die Wäschen zum Trocknen aufgehängt und in der M3-Wohnung die Käfervernichtungspatrone (»Bombe«) gestartet – woraufhin Igor halb angezogen herunterkam und meinte, das Kalb käme. (Das alte Holzbock-Mittel hieß übrigens Xylamon.)

Mittwoch, 1. August 2007 – Besuch bei den Leyrers, Ritten, abends Igor und Martina

Statt Frühstück fuhr Fritz um neun in den Wald zu den Holzfällern am Luttertrögl. Werner hatte sich den Haselbrunner mit seinem Traktor zur Hilfe geholt. Sie waren gerade beim Halbmittag. Holz war schon viel geschlagen, schönes, ein Baum dabei leider mitten durchgebrochen.

In der Früh um zehn hatten wir uns bei Leyrers in Wangen zum Gegenbesuch angemeldet, nicht ganz passend, denn am Vormittag müssen die Bauern arbeiten. Am Abend gehen sie allerdings auf die Jagd, denn ab 1. August ist selbige eröffnet ... Es war wieder sehr herzlich und schön, Carla fing sofort mit Stefanie zu spielen an, während wir den neuen Lärchenboden (aus durchgehend langen Brettern, verleimt, gebürstet) in der Stube bewunderten.

Wenn schon am Ritten (Wangen gehört dazu), so wollten wir doch richtig hinauf fahren. Wir drehten eine kleine Runde durch Klobenstein (Einkauf beim Despar, Besichtigung Bahnhof mit zwei alten Wagen, Gemeindehaus mit Forstamt am Hang, aber keine Zeitung) und fuhren dann hinauf zur Seilbahnstation. Das Gasthaus Tann ist übrigens umgebaut, ausgeweitet und sozusagen nicht mehr da. Obwohl noch müde von gestern – und Carla entsprechend unwillig – fuhren wir hinauf zur Schwarzseespitze (1530 m bis 2070 m). Hier der berühmte Blick vom Weg an der Schwarzseespitze Richtung Rittner Horn nach Gießmann und zu unserem Wald – der Shilouette hinter der Wiesen von Gießmann. Statt aber brav auf das Rittnerhorn zu pilgern, blieben wir in der Feldturner Hütte hängen (2033 m, 17°), aßen in der Sonne bei Quetschkommodenmusik, unterhielten uns mit ausgewachsenen Wandereltern aus Koblenz. Zurück auf die Schwarzseespitze versuchte ich einen »Panoramaweg«, der allerdings weit nach Osten und ziemlich hinunter ausholt. Ich gab es auf und querte durch ein wunderschönes, natürlich ganz einsames Hochtal, fast mit Hochmooren, umgeben von Latschen zurück zur Bergstation. Heiß und schön, touristenabseits.

Oben auf der Station hielten wir es noch lange in der Sonne mit dem Blick auf den Schlern usw. aus, Carla war ungeduldig-nölig, dabei war uns eine ostdeutsche Reisegruppe voraus, die sich einen »Sepp« als Bergführer genommen hatte (für diesen simplen Weg!). Eine rüstige Alte mit lindgrünem Pullover mit rhombenförmigem Goldflitter, Jeans-Leggings, ausgewachsener Dauerwelle und natürlichen den obligaten Wanderstöcken aber angeblich ohne Miniskus, erwähnte laut, dass sie erst vor zwei Wochen mit Hans Kammerländer zusammen war, und im übrigen müssten sie heute noch die Erdpyramiden besichtigen. Hier im Bild, dezent unkenntlich.

(Hier im Quellkode ein ausgedehntes Panoramabild vom Ritten. Als es sich vorhin partout nicht hatte zeigen wollen, musste ich den Rechner neu hochladen. Es war scheints zuwenig virtueller Speicher da. Aber bis man das herausgefunden hat!) Also nochheinmal richtig: Panorama von der Schwarzseesitze, oben echt, hier im Diagramm mit den Namen der Berge. Zum Lesen bitte drauf klicken.

Wir sind dann ziemlich müde auf den Hof zurück gefahren, nicht ohne in Wangen zu sehen, wie der Leyrer mit Frau und Bruder das Grummet einfuhr, von der großen Wiese mit Sarntalblick. Eine Gelegenheit, noch einmal Grüß Gott zu sagen, die Carla wg. Schlaf und Gisela wg. Carla versäumten. Im Bild mittig Leyrer Franz am Steuer (nicht zu sehen), rechts seine Frau Irmgard und links sein Jagdhund.

Am Hof hat dann wie versprochen Fritz Igor das Elektroschweißen gezeigt. Igor konnte es auf Anhieb besser als er ...

Zum Abend hatte Gisela Lasagne al Forno bereitet, wieder mit Salat, danach Joghurtcrème. Albert saß mit einem Jäger oben im Parade-Ansitz am Raut an, ein Schuss fiel, wir erschraken, weiter nichts. Die Szene wiederholte sich später akustisch etwas weiter hinter dem Stadl.

Und jetzt hoffe ich, nichts Wichtiges vergessen zu haben, bin ja schon überfällig. Den Roman »Gut gegen Nordwind« habe ich übrigens ausgelesen, wie einen Fotoroman halt, durchgehend. Das Ende ist wenig befriedigend, aber ganz pfiffig wie die ganze Konstruktion. Dass die aber selbst bei einfachen Repliken immer so lang brauchen, sich zu antworten, macht den Maildialog eher unglaubwürdig. (»50 Sekunden später AW: Keine Chance, liebe Emmi!«) Ich sollte hier weder italienische Fotoromane noch sonstige Nebenwelten aufsuchen, denn ich bin froh, dass ich da bin. Die Zeit ist eh kurz. Warum sie in Phantasiewelten leben?

Technik. Noch eine »Beschwerde«: Blogs eignen sich nicht als Reiseerinnerungen, wenn die Leser nicht täglich lesen beziehungsweise aktuellen Eintrag für aktuellen Eintrag. Die Reihenfolge – Neuestes zuoberst – mag für Intensivleser gut sein, nicht nachträglich oder für eine Übersicht. Außerdem verschwinden Blogs ungeplant in Archiven, die erst einmal aufgesucht werden wollen. Wie soll da wer wissen, dass es vor der aktuellen Nachricht schon eine gegeben hatte?

30. Juli 2007

Montag, 30. Juli 2007 – erst getrennte Wege, dann Wind, abends Ebners

Der Tag begann kühl, 19°, und windig. Am Vormittag ist Gisela mit Carla nach Bozen gefahren, ich bin in den Wald gegangen. Carlas Liebe zur Stadt, und hauptsächlich zu ihrer Mutter, überragt jeden natürlichen Tannenbaum. Und so viele Tannenbäume waren es auch nicht, genaugenommen gar keiner, denn die gängigen Nadelbäume heißen hier Fichten. Richtige Edeltannen haben wir nur auf der Schattseite. Ich aber bin auf die die Sonnseite gegangen, zum Schlag unterhalb vom Anreuthel. Dort haben wir drei Jahre hintereinander Käferbäume (immer Fichten) schlagen müssen und natürlich immer ein paar Bäume drumherum. Jetzt sieht der Schlag aus wie eine Erlenaufzucht mit Dornen, Lianen (»Judenstricken«, von Jutenstricken), zum Teil armdick. Wann da wieder Fichten kommen sollen, weiß der Himmel. Dafür ist der Blick schön und frei, hier hinüber zu den Sulfertalerhöfen. Übrigens: Das Holz an das hiesige Sägewerk zu verkaufen, war ich mir mit Igor schon gestern einig geworden. Ich musste nur Paris noch abtelefonieren, leider.

Zurück am Hof fiel mir auf, dass der Kleiderhaken aus einem einfachen fingerdicken Haselnussstock, den ich vor ein paar Jahren in ein Loch in der Stubentäfelung gesteckt hatte, vom Holzbock befallen war. Äußerlich war fast nicht zu sehen, unter der Rinde aber Gänge voller Sägespäne. Im Bild der halb freigelegte Stock. Eine Pest.

Gisela suchte nach Sarner Ohrringen – diesen typisch achteckigen – und Dingen für Carlas Schultüte, Pixi-Bücher, Kleinigkeiten. Carla bekam ein paar dunkelblaue Lackschuhe für siebzig Euro (angeblich statt hundertzwei).

Weil die Damen lange nicht aus der Stadt zurückkamen, fing ich an »Gut gegen Nordwind« von Daniel Glattauer zu lesen, einen E-Mail-Roman, den mir Michael Altenhövel vor lauter Begeisterung zugeschickt hatte. Liest sich gut, glatt. Wobei ich erwähnen sollte, dass ich in meinen gelegentlich schlafschwachen Nächten italienische Fotoromane lese, reduzierte, immer drei Romane für drei Euro fünfzig. Sie werden in Bozen von unter dem Ladentisch verkauft, obwohl sie garantiert jugendfrei und harmlos sind. Neu kosten die Dinger vielleicht 2,50 Euro das Stück, die Wiederauflagen sind dann viel billiger und bis zu acht Jahre alt, was den Reiz noch erhöht, modisch bezüglich beispielsweise Nabelfreiheit und technisch mit längst überholten Handys etwa. Auch diese Geschichten sind eher trivial, aber schöön. Im Übrigen ist mir meine Brille beim letzten Heuen ganz auseinandergefallen, sodass ich jetzt ohne herumlaufe und beim Lesen gelegentlich etwas eigene Phantasie einsetzen muss. Soweit die Literaturszene Siebenfahr.

Am Nachmittag ließ ich mit Carla hinter dem Stadl Drachen steigen. Der Wind war stark aber zu böig.

Abends kam Igors nette (italienische) Mutter zu Besuch bei Igor und Martina. Wir hatten Besuch von zwei der drei Brüder Ebner. Michl brachte ein schönes Buch mit, »Brauchtum in Südtirol« von Guido Mangold und Hans Grießmair, Toni Rotwein mit Schnauzer-Karikatur. Zum Draußensitzen war es zu kalt und windig, wir machten es uns in der Stube gemütlich, nachdem ich den beiden das Haus gezeigt hatte. Gisela hatte mit Carla Salat und zweierlei Quiche gemacht. Gute Unterhaltung, leider wieder zu kurz bezw. selbst zu viel geredet. Die alten Schlern-Hefte müssten jetzt digitalisiert sein, da muss ich einmal nachfragen. Und für Südtirol sollen Wiki-Seiten angelegt werden, ein Anschubprojekt, an dem Michls Tochter Cosima mitwirkt.