18. Februar 2012

Urheberrecht – und was der Autor davon denkt …

Der Streit ums Urheberrecht erscheint mir unbedacht. Jedenfalls was das Internet betrifft. Denken wir erst einmal an den tatsächlichen Urheber, den Autor, danach an den Gesetztesübertreter, inzwischen normaler Facebook- usw.-Kunde. Ich bleibe bei Schriftlich- und Bildhaftem.

Der Autor schreibt einen Text, und die Zeitung oder der Verlag druckt den (im Idealfall). Mit dem Verlag hat hat der Autor einen Vertrag, wonach er alle Rechte abtritt. Der Verlag »sitzt« auf dem Text und kann fortan damit machen, was er mag; ins Netz stellen, kürzen, über Datenbanken verkaufen, übersetzen etc – vor allem: vergessen. Der Autor bekommt ein oder zwei oder drei Belegexemplare von der Drucksache, eine Web-Veröffentlichung darf er sich selbst suchen. Davon erfährt er höchstens durch Leser-Mails. Wie oft er angeklickt wird, das wissen die Werbetreibenden im Netz, die On-line-Publikation vielleicht, die Kasse der Datenbank – der Autor weiß von nichts. Wozu auch? Er hat seinen Text ja verkauft, mit sieben Prozent Mehrwertsteuer, so wichtig wie das tägliche Brot. Geht’s um ein Foto – gleiche Geschichte. Eine seriöse Online-Publikation veröffentlicht einen Testbericht mit Foto, hier. Unter das Foto schreibt sie »© Hersteller«, in Versalien. Wer aber war der Fotograf? Hieß der »Hersteller«?

Womit wir
zum fehlbaren Anwender im Netz kommen. Der nämlich bricht immerfort Urheberrecht. Nicht, wenn er aus dem Artikel nur bissl was zitiert, schreiben wir mal: »Von innovativer Form und Funktion ist im täglichen Gebrauch wenig zu sehen«. Wo allerdings das (erlaubte) Zitat endet und die (unerlaubte) Kopie beginnt, ist unklar. Noch schlimmer, wenn er ein Stück Stadtplan »zitiert«, etwa um in einem Web-Tagebuch zu zeigen, wo er da war. Ich musste schon teures Abmahngeld blechen, nur weil ich bei einem Stadtplanschnipsel brav den Urheber angegeben hatte und es damit auffindbar gemacht hatte. Der Verlag freute sich gar nicht über diese zusätzliche Reklame für seinen Stadtplan. Wie bei anderen Schadensfällen auch vermehrte hauptsächlich der Rechtsanwalt das Bruttosozialprodukt. Auf meinem harmlosen Rücken bezw. Sparkassenkonto. Ganz schlimm, wenn’s um ein Foto geht. Wie »zitiert« man ein Foto? Das geht gar nicht, man nähme denn einen Ausschnitt, siehe links. Praktisch kommt das nicht vor, weil niemand sich die Mühe macht, Fotos zu kopieren und zu bearbeiten, ganz zu schweigen von der Frage, ob er’s wirklich dürfte. »Insgesamt forderten die Kanzleien im Jahr 2011 wegen Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing 165.536.066 Euro von ertappten Nutzern«, zitiert Bild, zugegebenermaßen wohl hauptsächlich für Musik und Filme. Doch die Zeit ist nah, wo auch jedes Foto wird rückverfolgt werden können.

Zurück zum Autor. Später. Sein Buch ist alt, verramscht. Den Artikel hat er selbst fast vergessen. Das Foto liegt vergraben. Freilich hätte er gerne, dass sein Werk für die Ewigkeit Bestand hat, sprich im Internet zu finden und zu sehen ist. Vielleicht wünscht er sich eine Neuauflage seines Buches, doch hoffnungslos. Wie wunderbar ist da das Internet. Da kann man das alte Zeug hineinstellen, für die, die’s noch mögen oder gar goutieren. Ich habe das mit meinen paar Büchern gemacht, hier zum Beispiel mein erstes und schönstes. Dazu habe ich es selbst, als Autor, an Google geschickt und einscannen lassen. Vermutlich hätte ich den Verlag fragen müssen. Der hat aber andere Sorgen. Alte Zeitungsartikel sind vielleicht vergraben in Genion-Datenbanken, meist aber perdü. Versuchen Sie mal, nach meinem schönsten Artikel zu suchen, 7. 11. 1998, »Die Schönheit des Nützlichen«, über das Kraftwerk Heimbach (und meine eigene nur ›teillegale‹ Wiedergabe außer Acht zu lassen). »Im Archiv finden Sie sämtliche Artikel aus F.A.Z. und F.A.S. von 1993 bis heute«, schreibt die FAZ. Pustekuchen. Unter den vier Treffern bin ich nicht dabei, und wenn, so müsste einer einen Euro zahlen, um sich’s anzusehen, einen Euro, von dem ich nichts sähe und nichts wüsste. Nichts gegen die FAZ, das ist nur ein Beispiel, eins, das ich belegen kann. Selbst ältere deutsche Literatur findet man im Internet nur dank gescannter amerikanischer Universitätsbibliotheken wie Hardward. Beispiel: »Rheinfahrt – Ein Gedicht von Georg Müller«, 1847, dank »The University of Michigan Libraries« und Google.

Fazit: Das Urheberrechtsgerangel ist ein Streit von Lobbys, von Verlagen und Publikationsgesellschaften. Der Urheber wird nicht gefragt. Er möchte seine Werke zugänglich haben. Nach einem halben Jahr, sagen wir, sollte nicht-kommerzielle Veröffentlichung grundsätzlich frei sein.

(Kraftwerk Heimbach, 1998, Foto Wolfgang Haut, Ausschnitt)

PS. Youtube-Warnungen. Anfang Februar habe ich eine Tanzvorführung von Schülern im Gymnasium fotografiert und gefilmt, ein paar Videos auf Youtube gestellt. Die Schule hatte die Musik zu den Tänzen nicht selbst gespielt. Prompt kommt der zunächst harmlos erscheinende Youtube-Hinweis »Übereinstimmende Inhalte von Drittanbietern«, angeklickt offenbart sich: »Dein Video … enthält möglicherweise Content, der Eigentum folgender Einheit ist oder von dieser verwaltet wird: Einheit: Music Publishing Rights Collecting Society, Content-Typ: Musikalische Komposition«. Ich muss mal nachfragen, wieviel diese amerikanische »Gema« möchte, wenn ich das Video den Eltern verfügbar mache, oder nur »Freunden«, oder aller Welt? – Oh Gott, das ist wieder ein Riesenthema: Eine »Musical Publishing Rights Collecting Society« gibt es gar nicht, wie schnelles Googeln offenbart. Beispiel. Und da hat einer die Mondscheinsonate selbst gespielt, Youtube verwarnt auch ihn.

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