9. Mai 2012

Diese Geschichte und mehr gibt’s jetzt in einem eigenen Blog: http://brittingblog.blogspot.de/

Maiabend beim Wein

Heute einmal ein Blog aus einer fremden Feder. Der Schreiber, neunzig Jahre alt, hat sich voriges Jahr einen Ipad geleistet, dazu von seinem Mobilfunkprovider einen kleinen mobilen Router, und ist nun überall ganz dabei. Besonders schätzt er die virtuelle Tastatur des Ipad, augenschonend groß, und zeigt uns, dass ein Ipad eben kein nur passives Lesegerät ist!
···Nun aber zu seinen Maiabend, samt Nachtgedanken an seine im vorigen Jahr verstorbene Frau. Anmerkungen, ganz kleine Korrekturen und Links sind von mir.

Ich sitze auf der ehemaligen Reinhardt-Terrasse in Prien am Chiemsee. Das Anwesen mit Hotel und Restaurant hat den Besitzer gewechselt und heißt nun Schlossblick, weil man tatsächlich von hier aus das Schloss Ludwig des Zweiten auf der Herreninsel sehen kann. Die Preise haben sich dem »Schloss« angepasst.Wie die Küche ist, werde ich bald feststellen, wenn der Schrobenhauser Spargel mit Sauce Hollandaise serviert wird. Die Bedienung ist international (dressierte Importe!) gut, aber nicht bayrisch, nicht menschlich.
···Die Portion war vornehm klein, der Spargel zu hart, die Kartoffeln  gut, jedoch zu wenig gesalzen. (Gesalzen sind dafür die Preise.) Man sitzt wundervoll, durch aufgestellte Scheiben windgeschützt, mit herrlichem Blick über den Chiemsee mit seinem Alpenpanorama im Hintergrund. Schöner geht es kaum. Das allerdings muss man bezahlen.
···Der große Vorteil für einen alten Mann wie mich, dem seine Beine nicht mehr so weit tragen, ist der, dass es einen Parkplatz am Haus für Gäste gibt. ( Zwei Stunden gratis, danach bezahlt man auch dafür, mir wurde es erlassen.)
···Hier war ich schon in den siebziger Jahren mit meiner Mutter und meiner Frau. Die Mutter sah ich hier das letzte Mal – nun ist auch meine Frau gestorben, und ich sitze alleine hier. Immerhin in Begleitung meines unzertrennlich gewordenen Ipads, mit dem ich Glück und Leid teilen  kann, was jedoch mehr mitteilen  bedeutet.
···Noch einmal werde ich hier sehr wahrscheinlich nicht einkehren; es ist steril und teuer. Da lobe ich meine alte Post in Rohrdorf, wo ich anstatt des Schlosses hübsche Deandln sehe, die ich kenne und die mich kennen und die mich gut – und nicht mit aufgesetzter Höflichkeit – bedienen.
···Jetzt werde ich die schöne Rückfahrt antreten, um noch bei Tageslicht das Zuhause zu erreichen.
···Wieder daheim und auf dem Balkon bei untergehender Sonne und den Blick zum Wendelstein.
Allein beim Wein! Das ist auch der Titel eines Brittinggedichts. Mal lesen; mein Ipad stellt ja alles zur Verfügung,

Allein beim Wein

Wie im Glas der gelbe Wein
Blinkt, daß er mir besser schmecke!
Ich krieche tief in mich hinein,
Wie in ihr Haus die Schnecke.

Die Schnecke streckt die Fühler aus,
Ich, klüger, zieh auch sie zurück:
Nun bin ich ganz allein in meinem Haus
Als recht ein Hans im Glück.

Rings an den Tischen geht das Reden nieder
Wie ein Regen ohne Unterlaß:
Ich aber dehne meine trocknen Glieder
In meinem regenundurchlässigen Gelaß. 

···Bis auf die Reden an den Tischen, stimmt’s fast. Sogar der »Hans im Glück«! [Der Schreiber heißt auch Hans. fj] Erst wenn man alleine ist, bemerkt man, dass nicht nur geteiltes Leid ein halbes Leid ist, sondern auch ungeteiltes Glück noch weniger als die Hälfte ist, so muss man schon für die richtigen Quantitäten sorgen!
···In Prien machte ich einen Spaziergang über die Seeterrasse, die sich wie eine Zunge in den See rausstreckt. Über sie schob ich noch vor einem Jahr meine Frau im Rollwagen. Am Ende der Landzunge steht ein Pavillion, in dem ein Kerl steht und singt seit Jahren nun schon, so denn auch heute. Ich sagte meiner Frau schon damals: »Der wird einmal im See versunken sein«, aber Kalauer waren überhaupt nicht nach ihrem Geschmack. So ist er immer noch nicht versunken und sunkt immer noch. Nein, nicht schön, aber er muss sich sehr gut gefallen.
···Jetzt habe ich das Windlicht angezündet. Auch ein Gedicht von Britting, doch keine Angst, das soll ja keine Anthologie werden. Aber diese yverse nun doch noch:

Es ist die Nacht nur,
Der schwarze Bruder des Tags,
Und bis der dir wieder erscheint:
Es brennt ja das Windlicht!

Leere den Weinkrug!
Schau der Flamme goldnes Gesicht!
Weißt du es nicht?
Kein Bild ist Betrug!

Hör, was das Windlicht spricht:
Unter der Sterne Gang,
Falterflug, Adlerflug,
Kurz oder lang;
Genug!

···Genug? Genug ist nie Genug! [»Das Windlicht« sollten Sie sich anhören, vom Dichter selbst gelesen! fj]
Nein wirklich Genug jetzt – aber »noch ist der Krug nicht leer«, auch ein Titel. Jetzt aber bleibe ich beim Wein ,denn noch ist der ,,,!
···o je, kein Bild ist Betrug!
···»Hör auf zu spinnen« höre ich da jemand sagen. Ach ja, so stopfe mir doch den Mund!
···»Wem schreibst du eigentlich?«, werde ich nun auch noch gefragt. Ja wem? Mir selbst!
···Ob ich schon wieder neue Bekanntschaften gemacht habe. Ja, ständig, einen jungen Bänker, mit dem ich fachsimpelte, während seine junge Frau (ich nannte sie Kücken, was ihr sogar gefiel, in meinem Aphorismen las, die auf dem Tisch bei meinem Griechen lagen. Sie ist eine Berlinerin, und ich las ihr sogleich den Aphorismus deines heiß geliebten Fontanes vor »Vor Gott sind eigentlich alle Menschen Berliner!«, das kam an! Wie nur kam der Fontane auf dies S hapsidee? Er wird wohl an den »Torquato Tasso« gedacht haben und die weenerliche Distriktprinzeesin vom Glasbrenner, weißt Du noch eie wir dabei gelacht hsben? [Adolf Glaßbrenner? fj] Wo steht denn das nur, beim Kiaulehn, ach, ich habe mich zu sehr auf Deine Ordnung eingelassen, ansatt auf meine sogenannte chaotische, nun finde ich garnichts mehr, nur das was im Koppe ist. Bei der Flickenschildt fuhr ich heute auch vorbei. Ihr Grab ist ähnlich gut versteckt wie deins. Mein Gott, wer kennt sie noch? Und den »kleinen Stall« von Wilhelm Diess hab ich vor ein paar Tagen nach Bolivien geschickt, wo ich ein paar Brüder an Heimatliches erinnern wollte. Ach, waren wir reich!
···»Wie viel noch in der Flasche ist, fragts du?« – »Sie ist noch halb voll!«, und du kannst nun nicht mehr sagen »nein, sie ist halb leer«. Wie lange ich noch bleiben will? fragst du. Ja, wer soll denn noch dafür sorgen, dass die Stabi die Ausstellung zu Brittings fünfzigstenten Todestag n macht.?
···Ich hab hier noch einiges zu tun, für dich steht ja die Zeit still! Wenn wir uns wiedersehen erzähle ich dir alles, und dann wird alles noch viel schöner sein als es es jemals war! Obwohl mein Leben sich sehr geändert hat, seit uns der Tod trennte, ich liebe dich noch immer!

An wen ich schrieb? Das muss ich jetzt niemandem mehr verraten: an mich!
···An einen, der sein Glück gern teilen möchte, in der Erkenntnis, dass es nichts Schöneres, nichts Mächtigeres, nichts Beglückenderes gibt als die Liebe. Die Liebe zu Gott, die Liebe zum Nächsten, die Liebe zu der, die man zum gemeinsamen Leben freite.
···Ein Maiabend beim Wein.
···Verzeiht einem noch immer liebenden Greis! (Alt sein ist doch nur ein Irrtum!)
Von meinem iPad gesendet=

Keine Kommentare: