10. Juni 2012

Messgedanken –

– schon das Wort ist mehrdeutig: Geht es um Messungen, um Ausstellungen oder um fromme Messfeiern in der Kirche? Die sind heutzutage oft nicht mehr feierlich, nicht immer fromm oder in der Kirche. Nach dem Vatikanum haben wir zu einer Vielfalt von Vereinsfeiern gefunden, die je nach Gusto dem Publikum oder dem Anlass angepasst werden. Zu kommen braucht ohnehin niemand; die Kirche wird zur Sekte. Dafür gehört der Islam zu Deutschland, mit seinen strengen Regeln.
Von einem CD-Cover
Ist aber vermutlich eher Abendlicht.
   Vor dem »Vatikanum« (1962–65), um daran zu erinnern, gab es eine »Sonntagspflicht«, das heißt, man musste am Sonntag zur Messe, jedenfalls als aufrechter Katholik. Tat man’s ohne hinreichenden Grund nicht, so hatte man eine »schwere Sünde« begangen, die erstens von der Kommunion ausschloss und zweitens vom Himmel. Wollte man die Schande bei der Kommunion vermeiden oder die Hölle nicht riskieren, so musste man beichten. Das hat man meist am Samstag­nach­mit­tag gemacht oder am Sonntag vor der Messe. Ein Beichtstuhl war dazu bis jeweils kurz vor der Kommunion besetzt. Genügend Priester hat’s noch gegeben, außerdem beschleunigte das Verfahren den Beichtprozess, der heutzutage – wenn er überhaupt stattfindet – je Sünder gelegentlich bis zu einer halben Stunde dauert, weil sich der Beichtvater gerne reden hört.  Damals, als die Kirchen noch voll waren, ging auch immer nur ein kleiner Teil zur Kommunion. Das sollte das Vatikanum ändern. Die Messfeier wandelte sich von einem Messopfer für Gott zu einer frommen Versammlung für die Gemeinde, der Priester mittendrin, mit Blick zum Volk – und meist übrigens zu Gott, denn der wohnt im Osten. Ex Oriente Lux.
   Jedenfalls wurden wir Buben und Mädel von der Kirche seelisch unterdrückt, denn wir mussten sonntags zur Messe – und gelegentlich beichten auch. Pardon wurde nicht gegeben. Kein Wunder, dass wir bis ins Alter giftige Gläubige geblieben sind und oft immer noch hingehen.
   Heutzutage will Sonntag für Sonntag beziehungsweise am Samstagabend entschieden werden, ob man sich in die Gemeinschaft der besonders Frommen begeben will oder lieber ins Kino (am Samstag) oder zum Brunch im angesagten Hotel (am Sonntag). So werden wir unfrommer und unförmiger.
   Dafür kommt Gott um so mehr zu uns. Der gute Hirte überall. Er verlässt uns nicht, selbst wenn wir keine Not leiden.
   Wenn Sitten nicht eingeübt werden, anfangs auch unter einem gewissen Zwang, so verfallen sie mit der Zeit. Davor hab’ ich Angst. Carla liegt um halbzehn am Sonntagvormittag im Bett und guckt im Laptop Kinderkanal Krimi-Punkt-De und lässt die Messe für den lieben Gott sein. Wie soll ich ihr’s denn schmackhaft machen, wenn keiner sonst es tut, und selbst der schönste Ringelpiez (heute »Familienmesse«) so schlecht vermarktet wird, dass nur die, die eh immer gehen, davon vorher wissen. Zu Pfingsten war ich in die Kirche gegangen: Die Messe war von 10.30 auf 11 Uhr verschoben, der Weihbischof sollte kommen (warum nicht zur üblichen Zeit?), und Multikultigesänge in wallenden Gewändern waren angesagt. Ich: sofort raus nach Stoßgebet. Die Messe hat dann über zwei Stunden gedauert, wurde mir berichtet!

Hans Thoma: Der Kinderreigen, 1884. Wikipedia
Was mir heute noch auffiel, eher lustig. Ein kindlicher Mitzelebrant übte vor der Messe über Lautsprecher »Du nimmst hinweg die Sünden der Welt« – hínweg mit Betonung auf hin, wie in Hin- und Rückweg. Was das heißt: »Du nimmst hinweg«, das können die Menschen nur mehr raten. Und das zweimalige »gebenedeit« im Ave Maria hatte ich früher stets mit Toast assoziiert, weil wir Toastbrot »gebetes Brot« genannt hatten, was ja auch fromm klingt und ähnlich …

Und noch dies, weniger lustig. Als eine heutige Lesung (10. Juni 2012., 10. Sonntag im Jahrekreis) stand auf dem Kirchenzettel: »L2: 2 Kor 4,13-5,1«, was sich dann so anhörte: »Lesung aus dem zweiten Brief an die Korinther: Schwestern und Brüder …«*). Mir kam das gleich ein wenig sehr politisch korrekt vor. Nichts gegen die Schwestern im Glauben, aber eben habe ich im Internet gespickt. Die biblische Grußformel lautet: »Paulus, ein Apostel Christi Jesu durch den Willen Gottes, und Timotheus, unser Bruder, an die Gemeinde Gottes in Korinth samt allen Heiligen in ganz Achaja: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!« (Bibelserver). Kinder, wir basteln uns eine Bibel!

*) laut »Priesteraushilfe« wird eine andere Stelle aus dem zweiten Korintherbrief gelesen, 5,6–10: »Schwestern und Brüder! Wir sind immer zuversichtlich, auch wenn wir wissen, dass wir fern vom Herrn in der Fremde leben, solange wir in diesem Leib zu Hause sind; denn als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende. Weil wir aber zuversichtlich sind, ziehen wir es vor, aus dem Leib auszuwandern und daheim beim Herrn zu sein. Deswegen suchen wir unsere Ehre darin, ihm zu gefallen, ob wir daheim oder in der Fremde sind. Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat.«, oder, nach Luther: »So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn. Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen. Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.« – Diese Stelle spricht vom Jüngsten Gericht und ist schon deshalb für eine moderne Gemeinde unpassend.

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