29. März 2014

Maybe

Beispiel aus der verbotenen Malbroro-Kampagne
»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht«, so überschreibt heute die Neue Zürcher Zeitung ihren immer gern gelesenen Wochen­end-Feuilleton-Titel. Nach­zu­le­sen hier. Es geht um die zahl­rei­chen Interpretationen und noch zahlreicheren Be­nennun­gen immer zahlreicherer »Ge­ne­ra­tio­nen«. Denn es lässt sich immer schön sinnieren, wie denn gerade das werte Lebensgefühl zu deuten sei: Aus dem Alter, d. h. der »Ge­ne­ra­tion«, aus Land und Leuten, Herkommen und ethnischer Gruppen­zu­ge­hörig­keit, aus politischer Ausrichtung der Eltern und unendlich so weiter. Der Wunsch nach Ka­te­go­ri­sier­ung treibt’s rein.
   Gelernt habe ich aus dem Artikel, dass die Malboro-Maybe-Kampagne verboten worden ist. Sie ziele auf Jugend, und das darf nicht sein, jedenfalls, wenn’s um Zigaretten geht. Mehr z. B. hier. Alte hingegen dürfen zum Rauchen animiert werden. Ihr hauptsächlich in Steuern aufgehender Rauch ist dem Staat willkommen. Malboro hatte vergeblich argumentiert, die Kampagne richte sich an alle. Vergeblich wohl, weil ich sie nie verstanden habe, als Alter, als Nichtraucher, als Feind schachtelbringender Schlagwörter, als »Generation Old«, nicht einmal »betagt«. Ich lehne das ab, das Politische in der Sprache, das sich »korrekt« dünkt. Ich bin Süddeutscher.
Postbank-Reklame mit dem »Ich«
Das erinnert mich an ein Gespräch jüngst mit einer Ethik-Professorin (man darf ja mal an­ge­ben!). Sie dachte über die zunehmende Ich­be­zogen­heit nach, festzustellen schon an der Werbung fürs Ich. Hier das eklatante, recht erfolgreiche Beispiel der Post. Die Erklärung liefert die Werbeagentur. Nur einmal sei ihr eine »Wir«-Reklame aufgefallen, meinte meine auf »Ethik, Werte, Humankompetenz« spezialisierte Freundin. Hier übrigens ihr »Auftritt«. Was ich spontan dazu gemeint habe, weiß ich nicht mehr. (Ich erwarte ja von mir selbst, dass ich immer gleich eine Meinung zu was habe, fast ohne nachzudenken.) Jedenfalls hat sie recht.
   Ein weiteres Beispiel ist der Spruch »Ich bin doch nicht blöd!«, bekannt vom Media-Markt, kopiert sogar aus einer Parodie gegen die Privatisierung des Berliner Stromnetzes.
   Zurück aber zur NZZ, die in Gedanken über die »Generation Maybe« genaugenommen zwei Bücher bespricht. Oliver Jeges schreibt scheint’s in seinem vielbesprochenen Buch: »Wir haben kein Wir-Gefühl. Wir sind Ichlinge, die durch die Zeit geistern.« Seine Konkurrentin bei Generationengefühlsbüchern, Ursula Kosser, die »eine Generation Y dem Leistungsdenken absagen« lässt, meint dagegen, ein »globales Wir-Gefühl« sei im Kommen.
   Vielleicht sind’s Wohlstandsprobleme. Keiner braucht mehr was, vom anderen schon gar nicht. Im Gegenzug leidet das Mitgefühl. Das könnte man fördern (ich hab’ mir jüngst »Fahrraddiebe« angesehen), auch Bescheidenheit tät’ helfen. 
   Wie auch immer – meinen Striemel*) mach’ ich weiter. Verallgemeinerungen führen eh zu keiner vollständigen Induktion. I bi i. Yolo!

*) zum »Striemel« - kommt wohl von Streifen, gemeint ist meist ein schmaler Abschnitt (Speck vielleicht), im Sprichwort »Ich ziehe meinen Striemel durch« steht’s für Routine. Bei Grimm hier. Weder Duden noch Wikipedia kennen diesen »Striemel«.

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28. März 2014

Bloß keine Hölle!

Ein recht sonderbarer »Kinderkreuzzug  « sollte uns (wenige) erwarten am 26. März 2014, im Bonner Priesterseminar  , dem »Albertinum  «. Da ist Mittwochs immer Frühmesse für Kinder des nahen Beethovengymnasiums. Carla geht nur hin, wenn sie dabei eine Aufgabe hat, ministrieren, eine Fürbitte lesen, oder wie vorgestern dem Gitarristen und Vorsänger die Noten halten. Ich komme dann gerne mit, morgens noch vor acht, in der »ersten Stunde«.
   Der Kreuzzug war eine kleine Wanderung zu vier Stationen des Kreuzweges dort, mit Afrika »in Mind«. Propagiert hatte ihn Misereor für seine »Fastenaktion 2014« (wobei es nicht um Fasten sondern um Sammeln ging). Ein Mädchen trug ein krudes Holzkreuz voraus, wir sangen einfache Lieder, es gab kleine Predigten und Gebete für Afrika. Ein veritabler Priester aus dem bevölkerungsreichsten afrikanischen Land, Nigeria   (152 Mio. Menschen) sprach zum Schluss ein paar Worte auf Englisch.
   »Das Albertinum mit neugotischer Kapelle und Kreuzgang wurde 1889 nach den Plänen von Johannes Richter, Bonn, auf Bischofswunsch nach dem Vorbild der Marienburg in Westpreußen gebaut«, lese ich  . Fromm hinterdreintrottend studierte ich die zwölf Stationsbilder und vor allem die Unterschriften dazu, in einer für das ausgehende 19. Jahrhundert typischen Fraktur, die man seitdem für kitschig hält. Neuschwansteinstil.  
   Mir fällt auf, dass schon damals das lange S (ſ) nicht immer verwendet wurde. Das beſtärkt meine Theorie, daſs es in der Fraktur wie in der Antiqua einfach immer ſeltener wurde, trotz komplizierter, typisch deutſcher Einsatzregeln.
  
Hölle im »weißen Tempel  «                         Foto Jan Albrecht
Ich wollte aber erzählen von einem Gespräch am Rande, vorher, beim Warten. Den Namen des Mannes kenne ich natürlich nicht. ’s ist einfach ein älterer, frommer Mann aus der Gemeinde, dem ich öfter begegne. Inzwischen weiß er auch, dass ich aus Südtirol komme.
   Also wir kommen irgendwie auf die Hölle zu reden. Er sagt: Die gibt’s nicht. Ich lasse mir das erklären, wie das dann am Jüngsten Tag laufen soll? Er: Die Guten kommen in den Himmel, die Schlechten nirgendwohin. »Nada«. Ich meine, in der Bibel steht das aber anders. Dazu er: Die sei doch nur von Leuten aus der damaligen Zeit geschrieben, verhangen in jüdische Traditionen, das dürfe man nicht so genau nehmen. Gott sei die Liebe, die entzieht er keinem. – Wir aber, meine ich, können uns göttlicher Liebe entziehen, und fange an, über Todsünde zu reden, über Gerechtigkeit. Das ist ja nun ganz antiquiert. Dabei ist der gute Mann nicht einmal viel jünger als ich. Was haben die hier denn für einen »Do-it-yourself«-Christentum eingeübt!
   Die schöne, weiße Höllenplastik im Bild hier oben gibt’s in Thailand. Mehr darüber z. B. hier  .

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PS. Christus führte den Behörden ihre Ohnmacht vor, um ein Zitat aus Paulus’ Brief an die Kolosser (2,15)   einmal frech für mich »Anarchisten« umzudeuten. (Doch um welchen Preis!) Ein frommer Freund setzt ihn unter seine Mails. Damit kam ich zu einer englischen Predigt über Gottes nie versiegende Liebe  . Nichts kann uns von ihm trennen – "The only thing that can is your refusal to believe what He has said is true", meint hier der ungenannte Prediger. Sola fide, (nur) wer glaubt ist gerettet. 
   Ich habe noch gelernt, dass Sünde trennt von Gott, Todsünde zumal – also des Menschen freier Wille, sich gegen ihn zu richten. Anders, neumodisch, krieg’ ich’s nicht zusammen, einerseits das Eingehülltsein in Gott und andererseits den freien Willen, diese Hülle abwerfen zu können, sich dagegen zu richten, zu sündigen ohne Reue, ohne Vergebung, ohne Liebe. »Alle haben gesündigt und können deshalb nicht vor Gott bestehen.« (Römer 3,23  ), »Eure Sünden scheiden euch von eurem Gott.« (Jesaja 59,2  ), »Die Folge der Sünde ist der Tod.« (Römer 6,23  ).
   Besonders die Interpretation von keiner sei gerecht vor dem Herrn (»Da ist keiner, der gerecht sei, auch nicht einer«), die variiert, natürlich, um nicht zu streng zu klingen. »Denn es ist kein Unterschied: Alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes  «, das klingt schon viel milder, auch: »Alle sind Sünder und haben nichts aufzuweisen, was Gott gefallen könnte  .« oder, stilistisch noch verschrobener: » … ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten  «. Psalm, Kap. 14  : »Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott. Sie taugen nichts und sind ein Greuel mit ihrem Wesen; da ist keiner, der Gutes tue. Der HERR schaut vom Himmel auf der Menschen Kinder, daß er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. (Psalm 33.13)   Aber sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer. (1. Mose 6.12)    (Römer 3.10-12)  «. Da lob’ ich mir die schlichte Einheitsübersetzung (aus Innsbruck)  : »Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren.«
   Genug. Wir werden’s ja sehen, am Jüngsten Tag. Da hilft nur Warten.

  
Wilhelm Doeringer und Bruno Ehrich,
Kreuzweg im Albertinum  , 1895-1901
1. Station: Jesus wird zu Tode verurteilt.
Zum Kreuzweg im Kreuzgang des Collegiums Albertinum in Bonn habe ich ein Bilderalbum gemacht, hier.  
   Zu den Künstlern Wilhelm Döringer und Bruno Ehrich wurde ich dank Google im Allgemeinen Künstler-Lexicon. 8. Anfl. 1911 fündig.
   Doeringer, Wilhelm  , Maler, geb. 2. Jan. 1862 in Oestrich a. Bb. Schüler von Gebhard (1882—89) an der Akad. zu Düsseldorf, thätig das[elbst]. Er schuf theilweise mit Bruno Ehrich Wandmalereien und Glasmosaiken für die Kreuz- und die Kaiserin-Augusta-Kirche zu Berlin, für den Dom in Schleswig, die Liebfrauenkirche in Trier, andere in Dessau, Düsseldorf, Essen, Wiesbaden, Wittenberg, etc. – Gestorben 1926, nach anderer Quelle.
  Ehrich, Bruno  , Maler, geb. 23. Mai 1861 in Ratibor  , Schüler von E. v. Gehd [Ernst von Gerhard  ?] Akad. zu Düsseldorf (1878—89), wo er sich auch niederliess und sich besonders der religiösen Geschichtsmalerei widmete. Von ihm Wandmalereien (Heil. Kreuzkirche, Berlin), Glasfenster und Mosaiken (Schlosskirche, Wittenberg), desgl. (Dom zu Schleswig), Altarbild (Kaiserin Augustakirche, Berlin), Passionsgemälde i hardt aner (Lambertuskirche, Düsseldorf), weitere Wandmalereien in der Liebfrauenkirche zu Trier, Pauluskirche zu Dessau, Ringkirche zu Wiesbaden), etc.