23. Mai 2014

Technik verstehen

Bahnhof Bozen, 1928:
Franz Ehrenhöfer,
Allegorie der Elektrizität,
Foto Jörn

»Technik verstehe ich nicht!« – ein lässlicher Kavaliersdelikt, den vor allem Alte (»Senioren«) und Frauen (»Genderrelevante«) vor sich her tragen. Wie bei Mathematik und Physik, von Chemie ganz zu schweigen: »Das hab’ ich nie verstanden«.
   Im Gegenzug gibt’s ein Heer von Fachleuten, Spezialisten, Beratern, Kennern, Lobbyisten, Insidern und berufenen Kreisen, die für uns Technik und ihre Folgen beurteilen, meist natürlich warnend. Stets fordern sie weitere Forschung, Studien, Diskussionsrunden und Talk Shows. Hauptsache sie haben Arbeit.
   Als simpler Techniker bin ich da sauer. Und versuche seit Jahrzehnten, Technik einfach darzustellen (siehe »Warum ich über Technik schreibe«, etwa aus dem Jahr 1995).
   Dabei braucht man beim Technikverständnis nur immer gerade so weit zu gehen, dass man sich eigenständig Wirkungen, Folgen erklären kann. Kann ein Handy der Gesundheit schaden, wenn es während des Telekonats am Ohr nullkomma… Watt an Energie abstrahlt, weniger als ein Fahrradrücklicht, und gewiss weniger als ein Haarföhn mit über tausend Watt? Überhaupt hilft oft schon diese Energiebetrachtung, wenn man Wirkungen abschätzen will (dazu kommt die Übertragbarkeit, die »Anpassung«).
   Kann Kuhmilch böse sein, wenn die Kuh Klonmais wiedergekäut hat? Abgesehen davon, dass sie Mais nicht mag. Ich liebe einfache Erklärungen. In Mathematik und Technik ist das Einfache meist das Richtigere – wie die barbusige Allegorie, die sich hier den entscheidenden Teil eines Elektromotors oder -genrators, den »Läufer«, als Feigenblatt vorhält.
   Am Notwendigsten ist Technikverständis für eine Riskoabschätzung. Sowas sollte ein Schulfach sein! Wie wahrscheinlich ist es, dass … ? – diese Frage sollte man sich immer wieder stellen. Selbst wenn man sie nicht genau beantworten kann, sollte einem allein schon die Frage größenordnungsmäßig ein Gefühl dafür geben. Wie wahrscheinlich es ist, in einer Lotterie zu gewinnen, steht sogar in der Wikipedia. Um bei »Sechs aus neunundvierzig« mit etwas über vierzig Prozent Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, müsste man sechs Millionen Lottoscheine ausfüllen. Mit vierzehn Millionen Scheinen gewinnt man gewiss.
   Weitere Beispiele gäb’s Myriaden. Ein Sicherheitsschloss lässt sich in ein paar Minuten knacken, das zeigen unzählige Videos:


Sollten wir nun regelmäßig alle Türschlösser wechseln? Vielleicht. Bei elektronischen Schlössern empfehlen Experten allerdings gerne eine ein wenig »überhöhte« Sicherheit, Beispiel: »Ihr eigener W-Lan-Schlüssel sollte aus mindestens zwanzig Zeichen bestehen (Groß- und Kleinbuchstaben, sowie Sonderzeichen und Ziffern). Verwenden Sie eine zufällige Kombination aus Buchstaben und Zahlen. Vermeiden Sie Namen und Geburtsdaten. Diese sind oftmals leicht zu erraten.« Und dann kommt ein Freund zu Besuch und möchte sich in Ihren W-Lan einloggen. Können Sie ihm dann den Kode sagen? Und wissen Sie überhaupt, vor wem und warum Sie Ihren W-Lan »schützen« sollen?
   Zum Schluss ein Beispiel, sogar von einer Site »Technik-verstehen.com«: »In Hinsicht auf die IT-Lösungen in Bezug auf die Schaffung firmeninterner Netzwerke und bezüglich des sogenannten Cloud-Computings gewinnen sogenannte Thin Clients zunehmend an Bedeutung.« – Kann man abschreckender schreiben? Hier wird einem schon vor jedem Inhalt die »Hinsicht« vergällt, der »Bezug« bleibt auf der Strecke.

Link zu diesem BloG hier: http://blogabissl.blogspot.com/2014/05/technik-verstehen.html

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