12. Dezember 2015

Sex

Zum Thema Sex (für Jugendliche) interviewte vor ein paar Jahren die Neue Zürcher Zeitung eine Historikerin, Susanna Burghartz, Professorin für Geschichte der Renaissance und der Frühen Neuzeit an der Universität Basel: »Moderne Sexualpädagogik – Machbarkeit und Phantasie«. Man frage mich nicht, wie ich jetzt auf den Artikel gekommen bin, ich weiß es ehrlich nicht mehr.
   Frau Burghartz sieht heute eine »starke Immanenz-Orientierung: Man muss heute nicht im Jenseits, sondern in dieser Welt glücklich werden – und zum Glück gehört normativ auch eine erfüllte Sexualität.« Ich selbst bin noch vor dieser Neuorientierung sexualisiert worden, streng katholisch, in Bayern. 
   In Rom steht nach wie vor diese alte Grundeinstellung, hier: »Infolgedessen ist die Sexualität, in welcher sich Mann und Frau durch die den Eheleuten eigenen und vorbehaltenen Akte einander schenken, keineswegs etwas rein Biologisches, sondern betrifft den innersten Kern der menschlichen Person als solcher. Auf wahrhaft menschliche Weise wird sie nur vollzogen, wenn sie in jene Liebe integriert ist, mit der Mann und Frau sich bis zum Tod vorbehaltlos einander verpflichten«.
   Sex also nur in der Ehe, sonst ist’s nachgerade unmenschlich. Um die Frage, ob auch der Kinderwunsch unbedingt dazugehört, wird allerdings eher herumgeeiert. Deutlich bleibt: »Die eheliche Liebe zwischen Mann und Frau steht somit unter der doppelten Forderung der Treue und der Fruchtbarkeit.« Man sehe sich all die ausführlichen Katechisierungen im Original an, voller weiterführender Links, einfach Wahnsinn.
   Für uns in den Fünfzigerjahren kam noch dazu, dass Onanieren wie das Verpassen der Sonntagsmesse eine (zu beichtende) Todsünde war. So klar wurde das in unserer »Sexualpädagogik« nicht angesagt – die war ohnehin wenig ausgespochen –, das war aber gängige Praxis. Man erkannte sie an den Schülern, die am Sonntag fehlten oder dann eben nicht zur Kommunion gingen, weil sie vorher keine Möglichkeit gehabt hatten zu beichten.
   Für die Todsünde bemüht der Katechismus Thomas von Aquin, hier: »Wenn der Wille sich zu etwas entschließt, was der Liebe, durch die der Mensch auf das letzte Ziel hingeordnet wird, in sich widerspricht, ist diese Sünde von ihrem Objekt her tödlich … «. Kennt auch keiner mehr. Wir alle kommen inzwischen in den Himmel. Gott »kann das«.
   Die Folge all dessen ist die bekannte Diskrepanz zwischen heute (und damals) gängiger Praxis und Lehre, um die sich – unter sehr viel anderem – 2015 die Synode zu Ehe und Familie bemüht hat. Hier ein Bericht über das magere Ergebnis, egal, Fazit: »Anders als ein Konzil hat die Synode in der römisch-katholischen Kirche nur beratende Funktion. Der Papst entscheidet, ob und wie er die Vorschläge des Abschlussdokuments in Kirchenrecht umsetzt.«
   Ich meine, dass irdische »Immanenz« des Glücks (pursuit of happiness*) schön und gut ist, allerdings als vorrangiges Ziel einer religiösen Einordnung unter Gott leider widerspricht. Papst Franziskus wird sich da schwertun. Man kann ja schlecht einen Orgasmus als transzendentales Gotteserlebnis deuten.
   Lösen kann das nur weniger Katechismus und mehr persönlicher Kontakt zu Gott in Liebe.
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We hold these truths … the pursuit of Happineſs
*) Die Unabhängigkeitserklärung der USA bezeichnet das Streben nach Glück als vom Schöpfer gegebenes Naturrecht des Menschen, nicht als Richtschnur oder gar Pflicht: »We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness«.
   Man darf auch was anderes anstreben!



Links:
• Holger Dörnemanns Blog zur Synode. Papst Franziskus zum Abschluss.
• NZZ-Artikel »Genom-Editierung. Mit dem Korrekturstift ans Erbgut«

Foto Stiftung Haus der Geschichte,
Axel Thünker

Die Frankfuter Neue Presse vom 27. Oktober 2015 zur Synode: »Der Jesuit Dr. Ansgar Wucherpfennig, Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, ist verhalten optimistisch: „Der Papst hat noch Optionen, weiter zu gehen.“
   Bei seinen Studenten hat Wucherpfennig kein einheitliches Bild feststellen können: Manche seien sehr konservativ, andere progressiv, und entsprechend unterschiedlich nehmen sie die Ergebnisse der Synode auf: „Viele sagen jedoch, die Kirche sollte sich für 25 Jahre komplett in Schweigen hüllen, was Sexualmoral angeht, und einfach nur zuhören.“ Er selbst, so Wucherpfennig, teile diese Meinung absolut.«
   Ich ganz gewiss nicht. Warum nicht? Blödsinn. Warum nicht 27? Und warum korrigiern wir nicht solange alle Moral-Stellen aus der Bibel heraus? Entspannen mal eine Generation lang? Sex as sex can.
 Jede Religion gibt Moral, Handlungsanweisungen. Zum Glauben gehört nicht nur Historisches oder Überirdisches, Glaube muss gelebt werden, und das nicht nur außerhalb des Bettes, vielleicht nur am Sonntag?
 Die Kirche muss arbeiten an ihrer (Sexual-)Moral.
1. Liebe und Verbundenheit in Gott ganz oben. D.h. auch Homosexualität soll gelebt werden. Allerdings nicht exzessiv mit Sex-Reisen nach sonstwo, die übrigens für Heteros genauso verwerflich sind. Ein Abtauchen in Sex verstößt gegen das Maß. Trennt von Gott. Wie ein Rausch.
2. Moral nach Nachhaltigkeitskriterien überarbeiten.
3. Regeln wie das Zwangszölibat der Priester sind nicht religiös, sondern ein Exzess des Katechismus bezw. kirchlichen Rechts. Ebenso lächerliche Spitzfindigkeiten in der Art der Verhütung.
4. Katechismus ist Anleitung per Default, Gott wirkt aber (wenn überhaupt, aber wir glauben ja daran) individuell (Beispiel: Berufung). Optionale »Sondereinstellungen« sind erlaubt. Da allerdings hält sich p. def. die Kirche heraus. 


Link hierher: http://blogabissl.blogspot.com/2015/12/sex.html 

Siehe auch https://blogabissl.blogspot.com/2020/09/das-internet-als-schweinerei.html
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