23. Februar 2017

Elor Azaria

Irgendwann zwischen 1950 und dem neuen Millennium müssen uns die guten Sitten ganz langsam verlassen haben. Bei Elor Azaria geht es meiner Meinung, meiner moralischen Auffassung nach um kaltblütigen Mord, nicht nur um einen achtlos weggeworfenen Zigarettenstummel, zwei Schitt von einem Abfallkorb entfernt.
   Offen gesagt – sogar bei der Verwandschaft habe ich deutliche Differenzen gefunden zu meinen altmodischen Auffassungen, was recht ist und was nicht – wenn man erst einmal daüber spricht. Nur tut man’s eben nicht. Wozu auch? Geht es doch bei uns nicht so existenziell zu, und wenn’s dann soweit sein wird, ist’s zu spät. Dann sind die Gesetze schon gemacht, unsere Grenzen schon laut »Schengen« ins Mittelmeer verlagert, Flüchtlinge schon abgeschoben, das frische Geld gedruckt, schwimmen unsere schwachen Politiker auf Populismuswogen, die rechten und neuerdings auch die linken.
   Genug geschimpft.
Frauen demonstriern für Elor Azaria
Anfang Januar 2017
   Ich nehme einmal an, Sie wissen, was sich am 24. März 2016 in Hebron im Westjordanland ereignete. Damals hatten zwei Palästinenser an einer Kreuzung auf einen israelischen Soldaten eingestochen. Die Palästinenser wurden in Gegenwehr angeschossen und kampfunfähig gemacht. Der israelische Soldat überlebte den Angriff. Der Platz hätte geräumt werden sollen, was aber nicht geschah. Während Sanitäter den angeschossenen Attentäter medizinisch versorgten, ging der damals 18 Jahre alte Militärsanitäter Azaria zu einem der beiden Attentäter, dem Palästinenser Abdelfatah al-Sharif, der bereits eine Zeitlang verletzt und reglos am Boden gelegen hatte, und erschoss ihn aus nächster Nähe.
   Das Video finden Sie auf Youtube, hier. Keine vierzig Sekunden – und ein Mensch ist tot.
   Der Täter »ein Held«, jedenfalls für die meisten dort – vielleicht auch bei uns? FAZ: »Nach einer Umfrage des Israelischen Demokratie-Instituts aus dem August unterstützt eine klare Mehrheit von 65 Prozent der jüdischen Israelis das Vorgehen Azarias als Selbstverteidigung. Unter rechtsorientierten Israelis sind es sogar 83 Prozent. Die konservative Zeitung ›Makor Rischon‹ wählte Azaria sogar zum ›Mann des Jahres‹ 2016.« Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu fordert Azarias Begnadigung. Am 21.1.21017 verurteilt ihn ein Militärgericht zu 18 Monaten Gefängnis; er legt Berufung ein. Auch die NZZ schreibt, Umfragen zeigten, dass fast siebzig Prozent der Israeli finden, Azaria solle begnadigt werden. Man hält ihn halt für einen Mizrahim, einen »Sohn des Ostens«, wie die Juden aus arabischen Ländern genannt werden, also eher »rau und ungebildet, ›arabisch‹ eben, und deswegen könne man von ihnen Respekt für die Werte der Aufklärung nicht erwarten.« – »Azaria hatte eben das Pech, bei seinem Verbrechen gefilmt zu werden.«

Azaria hört die Verkündigung seiner milden Strafe in den Armen seiner Mutter. (Bild: Reuters)
Und ich hatte gedacht, Juden seien besonders gebildet. Was ich immer noch meine. Nur dass Moral mit Bildung nichts zu tun hat …

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PS. NZZ. Cora Stephan, »Wer Streit vermeidet, erntent nicht Frieden«. »Es ist der Hass der Guten auf das Böse, und gegen das Böse sind alle Mittel erlaubt«.
Die Zeit 2012 über Drohnen
jkj

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