14. Januar 2018

Noch ’n Schuldt

Liebe Leute! Aller guten Dinge sind zwei (mindestens), hat sich wohl mein Freund Schuldt gedacht, und der p.t. Redaktion vertrauensvoll ein weiteres Gedicht übersandt und eine graphische Skizze.

Der Bogenstrich

Gerda von Stengel (geb. 1918)
Strawinksky dirigiert
Der Dirigent verneigte sich tief,
nachdem der Schlussakkord verklungen.
Das Publikum hat stürmisch applaudiert
und dabei nicht bemerkt,
das etwas müde Lächeln,
das beim Abgang er hat sich abgerungen.

Noch in der Garderobe sann er nach,
was es wohl war, was zur Vollkommenheit
war nicht gelungen.
Er blätterte missmutig in der Partitur –
dann endlich hatte er’s,
ein einziger Bogenstrich war’s nur.

Ein einziger Streicher war es
– nein, kein bedeutender –
ein paar Takte waren es nur,
die er zu spielen hatte. –
Das zeigt, was ein so Unbedeutender,
für’s Ganze zu bedeuten hat.

Er war das schwächste Glied in einer Kette,
– als solcher fühlte er sich auch –
mit seinem ach so kleinem Beitrag,
der kaum Beachtung fand.

Der Dirigent hat das bemerkt
und ihm, beim folgenden Konzert,
vor diesem Bogenstrich,
nur einen kurzen Blick geschenkt.

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Soweit das Gedicht. Von der Münchner Zeichnerin und Graphikerin Gerda von Stengel, geboren 1918 und gestorben vielleicht 1976, gibt es ein bekanntes Portrait von Ortega y Gasset und eines von Britting. Ingeborg Schuldt-Britting erzählt über sie in ihrem »Annaplatz« auf Seite 106.
















http://www.britting.de/sein-leben/bildergalerie/

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